Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4

110 Erſte Ordnung: Stachelfloſſer; zweiundzwanzigſte Familie: Makrelen.

vordem auch in der Thunfiſcherei Ausgezeichnetes geleiſtet haben mögen. Was nur irgend auf den Thunfang Bezug hat, hängt vom Rëis ab. Er muß ein Mann von unverbrüchlicher Treue ſein, unfähig, ſeinem Herrn Schaden zuzufügen dadurch, daß er eine andere Tonnare begünſtigt, muß Kenntniſſe wie Scharfſinn beſißen, das Weſen des Thunes gründlih kennen, auf alles und jedes, auch das kleinſte, auf eine Vertiefung oder Erhabenheit des Meeresbodens, deſſen beſondere Farbe, kurz, auf jeden Umſtand, der auf die Fiſcherei Einfluß haben könnte, aufmerkſam ſein, alles vorher zu unterſuchen wiſſen und außerdem die Begabung haben, das gewaltige Neßgebäude raſh und ſicher im Meere aufzubauen, ſo daß es ſelbſt im Sturme feſtſteht. Nachdem er dieſe Arbeit verrichtet, liegt ihm die ununterbrochene Beſichtigung der Tonnare ob; denn von ihm hängt es ab, wann der Anfang irgend welcher Arbeit geſchehen ſoll. Mit der Einſi<ht eines Lotſen muß er bevorſtehende Stürme vorausſehen können, damit er niht während einer Unternehmung zur Unzeit von ſolhen überfallen werde; am Tage des wirklichen Fanges endlih führt er den alleinigen Befehl. Von ſeinen Eigenſchaften hängt größtenteils der Erfolg der Fiſcherei ab. Man behandelt ihn deshalb mit größter Höflichkeit, und der Fremde hört oft keinen anderen Namen nennen als den ſeinen. Gewöhnlih gehen die zu ſo hohem Poſten erhobenen Leute aus einer Fiſchereiſhule hervor; die, die auf Sardinien thätig ſind, ſtammen entweder aus Genua oder aus Sicilien.

Die Vorbereitungen zum Fange beanſpruhen den Monat April. Anfang Mai wird die Tonnare ausgeſte>t, d. h. im Meere eine Linie gezogen, die bei der Auswerfung des Neges als Richtſchnur dient. Dies geſchieht vermittelſt langer Leinen, die miteinander gleihlaufend an der Oberfläche des Waſſers ausgelegt werden. Am Tage nah der Ausſte>ung bringt man das vorher von der Geiſtlichkeit feierlih eingeſegnete Neß auf mehreren Fahrzeugen ins Meer hinaus und verankert es nach allen Seiten.

Der Thun zieht mit großer Regelmäßigkeit, wenn auh nicht, wie die Alten glaubten, immer mit der re<hten Seite gegen das Ufer gekehrt, laut Aelian „bald nah Art der Wölfe, bald nah Art der Ziegen“, d. h. entweder und gewöhnlih in Trupps von 2 und 9 Stück oder in ſtarken Shwärmen. Bei ruhigem Wetter ſtreicht er niht, ſondern geht höchſtens ſeinem Futter nach; ſobald das Meer vom Winde bewegt wird, begibt er \ih auf die Reiſe und hält dann meiſt au<h die Windrichtung ein. Deshalb ſieht man beim Thunfange weder Stürme no< Windſtille gern; jedermann wünſcht Wind, und jeder ſelbſtverſtändlich den, der ſeiner Tonnare vorteilhaft iſt.

Der an eine Nebwand anprallende Fiſch gelangt zuerſt in die große Kammer, deren Eingang offen ſteht. Niemals, oder doh höchſt ſelten, beſinnt er ſih, zurüKzukehren, ſucht vielmehr allenthalben durhzukommen und verirrt ſih dabei in die nähſten Kammern, wo er entweder ſhon Geſellſchaft vorfindet oder doh bald ſolhe erhält. Beſondere Aufpaſſer halten ſi< mit ihren Fahrzeugen in .der Nähe der ſogenannten Fnſel am Anfange der Kammer auf und geben Achtung, wie viele Fiſche in das Neß gehen. Sie unterſcheiden die Thune unter dem Waſſer mit einer wunderbaren Scharfſichtigkeit, obgleich dieſe ſi in ciner ſo beträchtlihen Tiefe halten, daß ihr Bild oftmals ſehr undeutlih erſcheint; ja, ſie können ſie zählen, Stück für Stü>k, wie der Hirt ſeine Schafe. Zuweilen müſſen ſie oder der Rèis, der ſich alle Abende einfindet, verſchiedene Hilfsmittel anwenden, um die Unterwaſſerſhau zu ermöglichen. Sie bede>en das Boot mit einem {hwarzen Tuche, um die das Sehen verhindernden Lichtſtrahlen zu dämpfen, oder ſenken einen Stein mit einem weißen Thunfiſhknochen, die ſogenannte Laterne, in die Tiefe, um deren Dunkel zu erhellen. Bemerkt der Nis, daß eine der vorderen Kammern zu voll iſt, ſo ſucht er, um neuen Ankömmlingen den Eingang zu eröffnen, die erſten in die folgende Kammer zu treiben. Dies geſchieht gewöhnlih mit einer Handvoll Sand, deſſen Körner die äußerſt furhtſamen Fiſche