Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4

Thun: Tonnaren. Einneßen. Abſchlachten. 1

derartig erſhre>en, „als fiele ihnen der Himmel auf den Rü>ken“. Erweiſt ſich der Sand zum Forttreiben niht kräftig genug, ſo wird ein als Scheuche dienendes Schaffell in die Tiefe geſenkt, und fruchtet auch dieſes nicht, ſo greift man zum äußerſten, indem man die betreffende Kammer vermittelſt eines beſonderen Neßes zuſammenzieht und dadurch den Thun zum Weichen bringt.

Nach jeder Unterſuhung erſtattet der Rêis dem Eigentümer geheimen Bericht von der Sa@hlage, gibt die Anzahl der im Nege befindlihen Thune an und bringt ihm die getroffene Einrichtung, die Verteilung der Fiſche im Neße 2c. zur Kunde.

Fſt nun das Net genugſam bevölkert, und tritt an dem Tage, deſſen Erſcheinen man mit tauſend Wünſchen und Gebeten zu beſchleunigen ſu<ht, Windſtille ein, ſo kommt es zur Mezelei. Die umliegende Gegend teilt die Spannung und Aufregung der Fiſcher; aus entfernten Teilen des Landes finden ſi< die Vornehmen ein, um dem aufregenden Schauſpiele beizuwohnen. Als Grundſat gilt bei allen Tonnaren, daß der Fremde, der ſi einſtellt, willig aufgenommen, auf das freundſchaftlichſte behandelt und bei der Abreiſe freigebig beſchenkt wird. Jn der Nacht vor dem Fange treibt der Rëis alle Thunfiſche, deren Tod beſchloſſen, in die Vor- oder Goldkammer, einen wahren Vorſaal des Todes, Goldkammer genannt, weil der Thun in dieſem Teile des Netzes dem Fiſcher ebenſo ſicher iſt wie das Gold im Beutel. Nun gilt es, noh ein wichtiges Geſchäft abzuthun, nämlih denjenigen Heiligen, der zum Schugzherrn des folgenden Tages erkoren werden ſoll, auszuwählen. Zu dieſem Zwecke wirft man die Namen einiger Heiligen in einen Glü>stopf und zieht einen Zettel heraus. Der erwählte wird während des ganzen folgenden Tages einzig und allein angerufen.

Am Schlachttage begibt ſi<h der Reis vor Sonnenaufgang zur Jnſel, um die Thune in die Totenkammer zu treiben: eine Verrichtung, die zuweilen ihre Schwierigkeiten hat und den Réis in die äußerſte Verlegenheit bringt, da es ſcheint, als verſtünden die Fiſche, welhe wichtigen Folgen der Schritt aus einer Kammer in die andere nah ſih zicht. Unterdes waffnet man zu Lande die Augen und ſieht dur<h Ferngläſer nah der Inſel hin, den erſten Wink des Nêèis zu bemerken. Sobald dieſer alles in Richtigkeit gebracht hat, ſte>t er eine Fahne aus. JFhr Anbli> bringt das Ufer in Aufruhr und Bewegung. Mit Fiſchern und Zuſchauern beladene Fahrzeuge ſtoßen vom Lande ab; am Ufer läuft alles bunt durcheinander und auf und nieder. Die Fahrzeuge nehmen, {on che ſie ſi< der Jnſel nähern, die Ordnung ein, in welcher ſie um die Totenkammer zu ſtehen fommen; zwei von ihnen, auf denen ſih die Unteranführer befinden, ſtellen ſi<h an gewiſſen Punkten auf, die anderen zwiſchen ihnen. Fn der Mitte der Kammer wählt der Rêis ſeinen Plat; er führt den Befehl beim Angriffe wie der Admiral am Tage der Schlacht.

Zuerſt zieht man unter unaufhörlichem Schreien aller Fiſcher, zwar äußerſt langſam, aber mögli<hſt gleihmäßig, die Totenkammer herauf. Der Rëis iſt überall, vorn und hinten, auf dieſer, auf jener Seite, ſhnauzt hier den einen an, ſ{mält mit dem anderen, wirft dieſem einen Verweis, jenem ein Stü>k Kork an den Kopf. Fe näher die Totenfammer zur Oberfläche emporkommt, um ſo mehr rü>en die Fahrzeuge zuſammen. Ein an Stärke ſtetig zunehmendes Aufkochen des Waſſers kündigt die Annäherung der Fiſche an. Nun begeben ſich die Totſchläger, bewaffnet mit ſ{<hweren Keulen, an deren Spiße ein eiſerner Haken befeſtigt wird, nah den beiden Hauptbooten, von denen aus die Thune angegriffen werden. Noch ehe ſie ihre Arbeit beginnen, macht ſih unter ihnen die größte Aufregung bemerklich.

Endlich gibt der Rëis den Befehl zur Shlacht. Es erhebt ſih ein fürchterliher Sturm, hervorgebracht dur<h das Umherfahren und gewaltige Umſichſchlagen der ungeheuern Fiſche,