Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4, page 307

Schleie: Verbreitung. Weſen. Winterruhe. Fortpflanzung. Wertſchäßung. 269

Während des Winters wühlen ſi<h die Schleien nah Art anderer Familienverwandten in den Schlamm ein und verbringen ſo die kalte Jahreszeit in einem halb bewußtloſen Zuſtande. Ähnlithes ereignet ſi zuweilen auh im Sommer. Einige Schleien ſte>ten, wie von Siebold beobachtete, am hellen Tage auf dem Grunde des Teiches tief im Schlamme verborgen und ließen ſih mit einer Stange aus ihrem Verſte>e hervorgraben, ohne daß ſie ſi< rührten. Nachdem ſie zu Tage gebraht waren, blieben ſie faſt wie tot auf der Seite liegen, bis ſie, dur< mehrere unſanfte Stöße mit der Stange endlih aus ihrem betäubten Zuſtande erwe>, davonſhwammen, um ſi<h wieder in der Tiefe des Schlammes zu verbergen. „Sollte dieſes Benehmen der Shleien“, fragt von Siebold „niht als eine Art Tag- oder Sommerſchlaf bezeihnet werden können?“

Hinſichtlich der Nahrung kommt die Schleie wohl in allen Stücken mit dem Karpfen überein; ſie frißt allerlei Gewürm ſowie vermoderte Pflanzenſtoffe und Schlamm.

Die Laichzeit fällt in die Monate Märxz bis Juli, gewöhnlich in die Zeit der Weizenblüte, je nah der Witterung etwas früher oder ſpäter. Um dieſe Zeit ſieht man das Weibchen, gewöhnlih von zwei Männthen verfolgt, von einem Binſen- oder Rohrbüſchel zum anderen ſ{<wimmen, um hier dieEier abzugeben. Beide Geſchlechter werden ſo von demFortpflanzungstriebe beeinflußt und beanſprucht, daß ſie alle Scheu vergeſſen und oft mit einem gewöhnlichen Hamen aus dem Waſſer geſhöpft werden können. Nah Blos Schätzung ſett ein Rogener von 2 Kg gegen 300,000 Eier ab; die Vermehrung iſt alſo ſehr ſtark. Die Jungen wachſen ziemlih ſchnell heran; doh vergehen immerhin gegen 4 Jahre, bevor ſie fortpflanzungsfähig werden. Jm exſten Jahre erreichen ſie etwa 200, im zweiten 750 g, im dritten I—1 5 kg an Gewiht. Fhre Lebensdauer ſoll ſi< auf 6—10 Jahre erſtre>en: eine Shägßung, die gewiß zu niedrig gegriffen ſein dürfte.

„„Das Fleiſch der Schleyen iſt ſehr ſ<hle<t, ungeſund und eines unlieblichen Geſhma>s, dann ſie ſ<me>en na< dem Kaat und Lätt, haben ein wüſt, ſchleimig Fleiſh, weil ſie an ſolchen Orten, gebären und verurſachen leiht das kalte Wehe, frieren oder fieber. Jt ein Speiß des gemeinen Pöfels, wiewol etliche Mäuler ſolche ſehr lieben.“ Zu dieſen Mäulern gehören unter anderen die britiſchen, denen doh andere, beſſere Fiſche ſehr oft vorkommen. Yarrell ſchäßt die Schleie ſehr hoh, E>ſtröm iſt derſelben Meinung. Fc bekenne, daß ih mich mehr der Gesnerſhen Anſicht zuneige, das Fleiſh wenigſtens dann erſt für ſ<hma>haft erklären fann, wenn der Fiſh längere Zeit in reinem, fließendem Waſſer gelebt hat und ſo gleihſam ausgewäſſert worden iſt; ausgezeihneten Geſhma> aber beſißt das Fleiſch der Shleien, die in Flüſſen gelebt haben. Jm allgemeinen wird die Schleie bei uns zu Lande zu wenig gewürdigt und ihre Zucht daher entſchieden zu läſſig betrieben. Jhr Fleiſch erzielt kaum höheren Preis als das der Karauſche, übertrifft das leßtere jedoch unzweifelhaft in jeder Beziehung; ſie ſelbſt zählt zu den anſpruchloſeſten Fiſchen des Erdballes. Abgeſehen vom Aale eignet ſi< kein anderer Fiſh in demſelben Grade wie ſie zur Beſebung ſumpfiger, ſonſt höchſtens der wertloſen Karauſche preisgegebener Gewäſſer; ihre Zucht verdient {hon aus dieſem Grunde die wärmſte Empfehlung.

Aus den alten Zeiten rühren einige ſonderbare Sagen her, die heutigestags noh geglaubt werden. „Die Schleyen und der Hecht haben eine ſonderliche Freundſchaft zuſammen, dann allerley Fiſch pflegen die Hecht zu freſſen, außgenommen die Schleyen, man fängt fie auh gemeinigli< beyde mit einander, auh ſagt man, daß, wann der Hecht verwundt ſey, ſeine Wunden an den Leib der Sleyen ſtreiche, und mit dem ſchleim alſo die Wunden heyle, davon das Sprüchwort kommen iſt bey den Frießländern, die Schleyen ſey ein Argt aller Fiſche.“ Leßtere Anſicht wird noh von manchen Fiſchzüchtern geglaubt, auch von ſolchen, welhe anderweitigen Aberglauben ſ{<hon längſt abgeſtreift haben.

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