Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4, page 312
TL Vierte Ordnung: Edelfiſche; dritte Familie: Karpfen.
„Am 15. Mai fand ich die erſten reifen Fiſhchen, in einer Länge von 11 mm, in dem Gange, der am Grunde zwiſchen den beiden Kiemenblättern bleibt, in der ſogenannten Kloakenhöhle, teilweiſe auh ſhon an deren Ausgange, in der Nähe der Auswurfsöffnung der Muſchel. Die kleinen Tiere, die bisher ſtill in ihren Kiemenfächern ſte>ten, hatten alſo bei beginnenden lebhafteren Bewegungen mit dem di>en Kopfende niht vorwärts gekonnt, waren dabei vielmehr in ihrem Kiemenfache, das ſi< nah dem freien Ende verengert und abſchließt, rü>wärts gedrängt worden und ſo in die Kloakenhöhle gelangt, wo ſie no einige Zeit zappelnd angetroffen wurden. Es unterliegt keinem Zweifel, daß ſie von Da aus dur die Auswuxrfsöffnung der Muſchel in das Freie gelangen, wo ich ſie bereits am 20. Mai in Scharen vereinigt im Waſſer des Tümpels antraf, während zugleih neben mehr oder weniger entwidelten Fiſchen in den Muſchelkiemen wieder friſ<h abgelegte Eier wenn auch -in geringerer Anzahl, anzutreffen waren.
„Es muß hier hervorgehoben werden, daß das Beherbergen der Fiſcheier und die Entwi>elung dieſer in den Kiemenfächern, wo ſie Shut und vor allem das nötige ſtets friſche Waſſer erhalten, der Muſchel niht im geringſten zu ſchaden ſcheint. Freilih werden um dieſe Zeit die Kiemenfächer etwas erweitert, aber dies ſcheint auh die ganze, vielleicht etwas unbequeme Wirkung auf die Muſchel zu ſein, die während und nach dieſer ſonderbaren Tracht in gleiher Weiſe ungeſtört fortlebt.
„Von niht geringem Jntereſſe iſt die Entwickelung des Fiſhchens ſelbſt, das ja in den verſchiedenſten Entwi>elungszuſtänden manchmal aus einer einzigen Muſchel genommen werden tann und wegen ſeiner DurWhſichtigkeit Gegenſtand mehrfacher mikroſkopiſcher Beobachtungen geweſen iſt. Zum erſtenmal ſcheint das Vorkommen von Fiſcheiern in Muſcheln im Fahre 1787 von Cavolini beobachtet worden zu ſein. Döllinger fand 1818 die Fiſcheier auf verſchiedenen Stufen der Entwi>kelung in Malermuſcheln des Mains bei Würzburg und benugte die Fiſhchen zu Unterſuhungen über Entwi>kelung des Blutumlaufes, wozu ſie ſih in der That ganz vorzüglich eignen. Küſter in Erlangen fand 1839 in einer Malermuſchel 17 Eier und Fiſhhen. Aubert ſah fie in Flußmuſcheln bei Breslau. Karl Vogt beobachtete dasſelbe vor 1848 in der Lahn bei Gießen. Unter 100 Muſcheln waren wenigſtens 60 mit Fiſchchen von verſchiedener Entwi>kelung, bis 40 in einer Muſchel. Vogt fiel mit Recht das frühe Ausſchlüpfen der Fiſche aus dem Eie auf, in einem Zuſtande, wo ſie bei anderen Fiſchen no< im Eie bleiben. Dieſer Umſtand, der niht zu überſehen iſt, weiſt mit Beſtimmtheit darauf hin, daß die zarten Keimlinge eines Schußes, wie ihn die Muſchel bietet bedürfen, daß ihr Vorkommen kein zufälliges iſt. Vogt glaubte die aus den Kiemen befreiten Fiſche ihren erſten Aufenthaltsort wieder aufſuchen zu ſehen, was ih niht bemerken konnte. „Fhr ganzes Verhalten! ſagt Vogt, und dies hob auch ſchon Küſter ausdrü>lih hervor, „ſcheint zu beweiſen, daß die Kiemen der gewöhnliche Aufenthaltsort dieſer Keimlinge ſind.“ Maslowski in Kleinrußland hatte nur Teichmuſcheln zur Verfügung, und dies mag die Urſache geweſen ſein, daß er im ganzen nur fünf Fiſchkeimlinge fand, wovon vier in den Kiemenfächern lagen, einer in der Kloakenhöhle. Außer von Döllinger iſt das Vorkommen im Main auh von Leydig bei Würzburg beobachtet worden.
„Öſt es intereſſant zu ſehen, wie oft dieſe Beobachtung wiederholt wurde, ſo muß es wohl auffallen, daß ſo lange der Schlüſſel zu dem Geheimniſſe niht gefunden werden konnte, wem die Cier angehörten und wie ſie in die Muſchel gelangten. Licht in die Sache kam erſt dur< von Siebold, der, ohne indes den Zuſammenhang zu kennen, die Eier des Vitterlings als dieſelben beſchreibt, die in der Malermuſchel gefunden werden. Auch die Naturgeſchichte dieſer unſerer kleinſten Karpfenart hat, obgleih der Fiſh keineswegs ſelten iſt, doh lange Zeit hindur< niht genügende Aufklärung gefunden.“
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