Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 5

62 Erſte Ordnung: Käfer; ſiebente Familie: Pſelaphiden.

auch bei ihnen die Flügelde>en viel zu kurz ſind, um den Hinterleib in ſeiner größeren Ausdehnung bede>en zu können; troßdem wird zwiſchen ihnen und jenen eine Verwechſelung unmögli<. Die Pſelaphiden, gedrungen in ihrer Körperform, meiſt am breiteſten gegen die Spige des Hinterleibes hin, beſißen durchaus niht die Fähigkeit, dieſen emporzurihten oder irgendwie zu bewegen, worin die Staphylinen Meiſter ſind, denn die fünf Ringe, welche ihn zuſammenſezen, ſind feſt miteinander verwachſen. Dafür entſchädigen ſie ſi durch die ſtetige Bewegung ihrer in der Regel keulenförmigen, perlſ<hnurartigen Fühler und der ein- bis viergliederigen Kiefertaſter, welhe den meiſten lang aus dem Munde heraushängen. Fm Gegenſaße dazu bleiben die ein- bis zweigliederigen Lippentaſter ſehr furz. Von den beiden häutigen Lappen des Unterkiefers wird der äußere bedeutend größer als der innere. An den Füßen zählt man höchſtens drei Glieder, und dieſe man<mal faum, eine oder zwei Klauen am lezten. Des Abends fliegen diejenigen Arten umher, deren Daſein nicht an die Ameiſen geknüpft iſt; das ſommerlihe Hohwaſſer ſpült ſie unfreiwillig mit anderen Leidensgefährten zu Hunderten aus ihren Verſte>en und treibt ſie an ſandige Ufer, wo der Sammler von den ſonſt mühſam zu erlangenden Tierchen unter günſtigen Verhältniſſen reihe Ernte halten kann.

Die Larven kennt man no< niht, Käfer dagegen aus allen Erdteilen, mit Aus\{hluß Aſiens, wo ſie jedenfalls von den Sammlern bisher überſehen worden ſind, da man in den außereuropäiſhen Ländern immer zuerſt nah den größeren, augenfälligeren Formen greift, als nach ſo unſcheinbaren verſte>ten, dur<ſchnittli<h nur 2,25 mm meſſenden Käferchen.

Der gelbe Keulenkäfer (Claviger testaceus, jeßgt foveolatus genannt), der hier in ſtarker Vergrößerung abgebildet iſt (S. 63), gehört zu den wenigen, ſehr hilfloſen Arten, deren Lebensweiſe entſchieden das höchſte Jntereſſe bietet. Die Körperumriſſe des Keulenkäfers finden ſih auch bei den übrigen Familiengliedern wieder; zu ſeiner beſonderen Charakteriſtik gehören: der Mangel der Augen, faltenartige Hintere>en der zuſammengewachſenen Flügelde>en, an denen ein Haarbüſchel ſteht, und eine tiefe Grube auf dem Rücken der Hinterleibswurzel. An den einklauigen Füßen ſind die beiden erſten Glieder ſo kurz, daß man ſie lange überſehen hat. Der Hinterleib glänzt am meiſten, weil ihm nur an der Spite die Behaarung des übrigen Körpers zukommt, erſcheint faſt kugelig, hat an den Seiten einen feinen Rand und läßt nur am Bauche die fünf ihn zuſammenſeßenden Ringe erkennen. Das Männchen unterſcheidet man vom Weibchen dur einen kleineren Zahn an der Fnnenſeite von Schenkel und Schienen der Mittelbeine.

Der Keulenkäfer lebt unter Steinen in den Neſtern der gelben Ameiſen, die ihn wie ihre eignen Puppen erfaſſen und in das Jnnere des Baues tragen, wenn dieſer dur< Aufheben des Steines in ſeiner Oberfläche erſchloſſen und die Hausordnung der Tiere geſtört wird. Es deutet dieſer Zug auf ein inniges Verhältnis zwiſchen beiden hin, und ſorgfältige Beobachtungen haben ein ſolches auch in anderen Beziehungen beſtätigt. Wir verdanken dieſelben dem Herrn P. W. F. Müller, weiland Paſtor zu Waſſersleben bei Wernigerode. Der genannte, dur< die eben erwähnte Erſcheinung im höchſten Grade exſtaunt, nahm Käſer, Ameiſen, deren Brut von verſchiedenem Alter und Erde aus dem Neſte nebſt Moosſtengeln in geräumigen Fläſchchen mit heim. Schon am nächſten Tage hatten ſich die Gefangenen häuslih eingerihtet und wurden nun mit Hilfe einer Lupe eifrig und ſo gründlich beobachtet, daß alles, was im folgenden mitgeteilt werden ſoll, zu oft geſehen worden iſt, um auf Frrtum und Täuſchung beruhen zu können. Laſſen wir den Beobachter ſelbſt berihten: „Die Ameiſen verrichteten unbeſorgt ihre gewohnten Geſchäfte; einige ordneten und bele>ten die Brut, andere beſſerten am Neſte und trugen Erde hin und her; andere ruhten aus, indem ſie ohne alle Bewegung ſtill und faſt ſtundenlang auf einer Stelle verweilten; andere ſuchten ſih zu reinigen und zu pußen. Dies legte Geſchäft