Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 5

Gelber Keulenktäfer. 63

verrichtete jede Ameiſe an ſich ſelbſt, ſo weit es ihr möglih war, dann aber ließ ſie ſi (gerade wie es von den Bienen in ihren Stö>ken zu geſchehen pflegt) von einer anderen an den Körperteilen reinigen, die ſie mit Mund und Füßen ſelbſt niht zu erreichen vermote. Die Keulenkäfer liefen indes entweder zutraulich und unbeſorgt zwiſchen den Ameiſen umher, oder ſie ſaßen in den Gängen, die meiſt an den Wänden des Glaſes entlang führten, ruhig und in einer Weiſe, welche andeutete, daß alles mit ihren gewohnten Verhältniſſen vollfommen übereinſtimmte. Jndem ih nun den Bewegungen meiner Gefangenen einige Zeit hindur< unverrü>t mit den Augen gefolgt war, wurde ich mit einem Male zu meiner größten Verwunderung gewahr, daß, ſo oft eine Ameiſe einem Keulenkäfer begegnete, ſie ihn mit den Fühlern ſanft betaſtete und liebkoſte und ihn, während er dies mit ſeinen Fühlern erwiderte, mit ſichtliher Begierde auf dem Rücken bele>te. Die Stellen, wo dies geſchah, waren jedesmal zuerſt die am äußeren Hinterwinkel der Flügelde>en emporſtehenden gelben Haarbüſchel. Die Ameiſe öffnete ihre großen Kinnba>en ſehr weit und ſog alsdann vermittelſt der übrigen Mundteile den ganz davon umſchloſſenen Haarbüſchel mehrere Male mit großer Heſtigkeit aus, bele>te dann noch die ganze Vorderfläche des Rü>ens, beſonders deſſen Grube. Dieſes Verfahren wurde ungefähr aller 8$—10 Minuten, bald von dieſer, bald von jener Ameiſe, ja oft mehrmals hintereinander an dem nämlichen Käfer wiederholt, vorausgeſeßt, daß er mehreren Ameiſen begegnete, do<ward er im legten Falle nah kurzer Unterſuchung ſogleich freigelaſſen “ Wie auf den Zweigen der Bäume die Blattläuſe anderen Ameiſen ihren Honigſaft reihen und darum von ihnen ſo eifrig aufgeſu<ht und im höchſten Grade freundſchaft: lih behandelt werden, ſo bieten die Keulenkäfer dieſer das Buſchwerk nicht erſteigenden Art einen Le>erbiſſen in einer aus den Haaren ausgeſchwißten Feuchtigkeit; aber jene ſind dafür auch exkenntlih. Es kommt noch beſſer. Hören wir weiter: „Um meine Gefangenen niht verhungern zu laſſen und mögli<hſt lange beobachten zu können, mußte ih natürlich daran denken, ihnen irgend ein angemeſſenes Futter zu reichen. Fn dieſer Abſicht beſeuchtete ih die Wände des Glaſes nahe dem Boden ſowie einige Moosſtengel mittels eines Haarpinſels mit reinem Waſſer, mit dur<h Waſſer verdünntem Honig und legte außerdem noh einige Zu>erkrümchen und Stücchen zeitiger Kirſchen an andere Stellen, damit jeder nah Belieben das ihm Dienlichſte wählen könne. Eine Ameiſe nah der anderen, wie ſie in ihrem Laufe an eine befeuchtete Stelle kam, hielt an und le>te begierig, und bald waren ihrer mehrere verſammelt. Einige Keulenkäfer kamen zu eben dieſen Stellen, gingen aber über dieſelben hinweg, ohne den geringſten Anteil zu nehmen. Fett brachen einige geſättigte Ameiſen auf, ſtanden auf dem Wege ſtill, wenn ihnen dieſe oder jene Ameiſe begegnete, welche die Speiſe noh niht geſunden hatte, fütterten die hungerigen und gingen weiter, um dasſelbe mit der unten im Glaſe befindlihen Brut zu thun. Fh wax ſhon darauf bedacht, für die Keulenkäfer eine andere Nahrung zu erſinnen, weil ſie die vorhandene niht berührten, als ih einen derſelben einer vollgeſogenen Ameiſe begegnen und hierauf beide ſtill ſtehen ſah. Jh verdoppelte meine Aufmerkſamkeit, und nun bot ſi<h meinen

Gelber Keulenkäfer (Claviger testaceus), von Ameiſen geliebkoſt. Stark vergrößert.