Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 5

Brutpflege. Verwandlung. 921

an verweſende Gegenſtände legen, erzählt man, daß ſie ſi dur< den Geruch der Aaspflanzen (Stapelia) irre leiten ließen und dieſelben zu unrihtigen Brutſtätten benußten. Bei weitem geſteigerte Anſprüche macht die Brutpflege an diejenigen Jnſekten, welche im Sande, in alten Lehmwänden, faulem Holze, Röhren oder einfachen Höhlungen anlegen, allerlei andere Jnſekten einfangen, dort eintragen oder Honig und Blütenſtaub ſammeln, ein Ei daran legen und nun den Bau verſchließen, das weitere der Zukunſt, ſich ſelbſt dem Loſe alles Sterblichen überlaſſend. Auf der höchſten Stufe ſtehen in dieſer Hinſicht die Honigbienen, Ameiſen und noch einige andere, in förmlichen Staaten beiſammen lebende Fnſekten; davon jedo<h ſpäter ausführliher.

Solange das junge Tier von der Eihaut eingeſchloſſen iſt, heißt es Embryo. Die erſten Schritte zur Ausbildung eines ſolchen beſtehen darin, daß aus der einheitlichen Eizelle eine Menge von kleineren Zellen, gleihſam das Baumaterial, geliefert wird, eine Teilung, die man Furhung zu nennen pflegt. Die Vorgänge, welche alsdann die zahlreichen Embryonalzellen zu blattartigen Schichten, ſogenannten Keimblättern, ſi< anordnen laſſen und aus dieſen und dem übriggebliebenen Dotter, unter dem Schuße mehrerer „Embryonalhüllen“, ſ<hließli< ein lebensfähiges Geſchöpf zur Ausbildung bringen, ſind zu verwid>elt, um hier allgemein verſtändlih gema<ht werden zu können. Daß ſi< auh beim Fnſekt zuerſt die Bauchſeite anlegt und die Nükenſeite erſt zulegt zur Ausbildung gelangt, muß na< dem für die geſamten Gliederſüßer Geſagten ſelbſtverſtändlih erſcheinen.

Mit dem Augenbli>e, wo das junge Tier die Eiſchale verläßt, d. h. ‘geboren wird, hört es auf, Embryo zu ſein und wird zur Larve; denn es hat in den meiſten Fällen nict die mindeſte Ähnlichkeit mit dem vollkommen entwid>elten Fnſekt, vermummt vielmehr deſſen wahre Geſtalt, krieht wie ein Wurm an oder in der Erde umher und ſtillt ſeinen ſtets regen Hunger mit Blättern, Tieren oder der Verweſung anheimgefallenen Stoffen, während dieſes in ganz anderer Geſtalt auf leihten Schwingen durch die Lüſte \ <webt und Honigſeim oder Morgentau zur Nahrung wählt. Zwiſchen beiden liegt die Puppenruhe als Übergangszuſtand. Erſt dann alſo, wenn die verſchiedenen Verhüllungen abgelegt ſind, erſcheint die Fmago, das wahre vollendete Bild deſſen, was jene noch verbargen. Mit anderen Worten: das Jnſeft beſteht eine vollkommene Verwandlung (Metamorphoſe). Doch gilt dies niht von allen. Bei anderen, die jedo< in der Minderheit bleiben, gleiht die Larve in der Hauptſache ihren Eltern, nur fehlen ihr die Flügel, einige Fühler- und Fußglieder oder ſonſtige, leicht zu überſehende Eigentümlichkeiten; ſolche beſtehen nur eine unvollkommene Verwandlung. Wenn bei denſelben das Geſchlechtstier die Flügel ganz entbehrt, fo fallen die Merkmale der Verwandlung ganz hinweg.

Die Verwandlung der Jnſekten iſt den Forſchern früherer Jahrhunderte niht verborgen geblieben und hat von jeher zu Vergleichen mit dem leiblichen und ſeeliſchen Leben des Menſchen aufgefordert. Swammerdam, welcher tiefe Blicke in die Geheimniſſe der Natur gethan hat, aber alles im Lite der ſeiner Zeit eignen religiöſen Sentimentalität ſieht, läßt fich an einer Stelle, wo er von der Metamorphoſe handelt, zu etwa folgenden Äußerungen hinreißen: „Dieſer Vorgang geſchieht bei dem Schmetterlinge auf eine ſo wunderbare Weiſe, daß wix die Auferſtehung vor unſeren Augen abgebildet ſehen, daß wir ſie mit den Händen greifen fönnen. Sehen wir die Raupe, welche auf der Erde kriecht, ſich von Futter ſchlechter Art nährt, und nachdem ſie wochen-, monatelang unter dieſer niedrigen Geſtalt ihr beſtimmtes Werk vollbracht hat, zulegt in den Zwiſchenzuſtand eines ſcheinbaren Todes übergehen. Fn eine Art von Leichentuch gehüllt, in einen Sarg verſchloſſen und gewöhnlich unter der Erde vergraben, liegt ſie da. Von der Wärme der Sonnenſtrahlen gerufen, brechen ſie aus ihren Gräbern hervor, die Erde, Luft und Waſſer als Gefangene feſthielten, werfen ihre Bede>ung ab, und mit neuem hochzeitlihen Schmucke angethan, treten ſie den Genuß