Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 5

Das Jnſekt als Larve. 23

wie ſie der Laie mit beſonderer Vorliebe nennt, denn vom „Kornwurm, Drahtwurm, Wurm in Haſelnüſſen oder Äpfeln“, von „wurmſtihigem““ Obſte iſt vielfah die Rede. Troß der Wurmähnlichkeit vieler weichen ſie bei näherer Betrachtung weſentli<h von den Würmern ab. Zunächſt gibt es Larven mit Beinen und Larven ohne Beine. Die erſteren zeigen dann regelmäßig an den drei erſten, auf den hornigen Kopf folgenden Körperring?en, dem künfz tigen Bruſtkaſten, drei Paar gegliederter, in eine oder zwei Klauen auslaufende Beine, denen man ihrer ſehr beſtimmten Stellung wegen den Namen der Bru füße beigelegt hat. Fehlen ſie, ſo muß die Larve für fußlos erklärt werden, ſelbſt dann, wenn warzige Hervorragungen die Stelle jener vertreten ſollten. Außer den Bruſtfüßen fönnen an einigen oder nahezu allen Ringen au< noh Bauchfüße vorkommen, welche nie gegliedert ſind, ſondern als fleiſchige Ausſtülpungen der Haut erſcheinen. Da 11—12 Ringe außer dem Kopfe den Larvenkörper aufbauen, ſo ſind 22 Beine die höchſte erreichbare Anzahl. Der hornige Kopf iſt auh in dem Falle mit beißenden Mundteilen ausgeſtattet, wo das Geſchlechtstier zu einem Sauger wird. Sehr viele Larven beſißen in ihrem Fnneren zwei Spinndrüſen, in welchen ſi ein zäher Stoff entwickelt, welcher ſih in Faden ziehen läßt und an der Luft erhärtet; zwei mikroſkopiſche Öffnungen in der Unterlippe geſtatten dieſem Stoffe einen Ausweg, und die Geſamtheit dieſer Einrichtungen bezeichnet das Spinnvermögen der Larven. Es wird beſonders im Jugendalter oder auh ſpäter als Schußmittel, in Zeiten der Not zum Entfliehen, vorherrſchend aber beim Übergange aus dem Larvenſtande zu dem der Puppe als Schug für dieſe lettere verwendet, indem viele Larven ein Geſpinſt (Kokon) anfertigen, in welchem die Verpuppung vor ſh geht. Bekanntlich liefert uns der Spinnſtoff gewiſſer bevorzugter Larven die koſtbare Seide.

Die fußloſen Larven heißen Maden und haben entweder einen hornigen Kopf, oder ihr vorderes Ende nimmt feine beſtimmte Form an, indem es ſi ſpi vorſtre>en und weit zurück: ziehen kann, und läßt feine Spur von einem Kopfe mit beißenden Mundteilen erkennen. Man hat ſie daher kopfloſe Larven genannt, von denen bei den Zweiflüglern, wo ſie allein nux vorkommen, eingehender berichtet werden ſoll.

Schon der bereits erwähnte Umſtand, daß ſaugende Fnſekten als Larven ihre Nahrung zerbeißen, weiſt auf die Vielgeſtaltigkeit in der Lebensweiſe der einzelnen Arten hin und läßt auf weitere Unterſchiede der Larven hinſihtli< ihres Verhaltens zu der Außenwelt ließen. Die einen leben frei auf Pflanzen und zeihnen ſih nicht ſelten dur< bunte Farben oder allerhand Bekleidungs\<hmu> aus, oder ſie halten ſi unter Steinen, faulendem Laube oder in ſonſtigen Verſte>en auf, welche ſie zeitweilig, namentlich während der Nacht, verlaſſen; wieder andere kommen nie zum Vorſchein, indem ſie ihr Leben in der Erde, bohrend oder minierend in den verſchiedenſten Pflanzenteilen, in tieriſhen Körpern oder im Waſſer verbringen. Die lihtſcheuen Larven zeichnen ſih durch unbeſtimmte helle Färbung aus und pflegen nux an den mit Chitin bede>ten Stellen eine beſtimmtere, auh dunklere Farbe anzunehmen; unmittelbar nah jeder Häutung ſind ſie am bleichſten.

Der Nuhezuſtand, welcher bei den Fnſekten mit vollkommener Verwandlung am Ende des Larvenlebens eintritt, heißt befanntlih Puppe (Nymphe). Man hat auch bei denen, die ſih nux unvollkommen verwandeln, von einer ſolchen geſprochen und darunter die Larve vor ihrer legten Häutung verſtanden, die man ihr jedo<h in den wenigſten Fällen anſieht, weshalb mir die Bezeichnungsweiſe mindeſtens bedenklih erſcheint. Unmittelbar nach der Häutung zur Puppe laſſen ſih an dieſer die Gliedmaßen: Fühler, Flügelſtumpfe, Beine, einzeln in glaſige Häutchen eingeſchloſſen, vom Rumpfe abheben, kleben aber nah kurzer Zeit feſt aneinander und bilden ein Ganzes, welches niht nux in den Gliedmaßen, ſondern auh in den drei Hauptabſchnitten des Körpers und in der Gliederung des Hinterleibes