Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 5

28 Ein Bli> auf das Leben der Geſamtheit.

Schnee es geſtatten, einige Hände voll zerkrümelten Laubes in einem wohlverwahrten Sä lein beizuſte>en, und trage es heim. Schüttet man den Inhalt, nachdem er einige Stunden in der warmen Stube gelegen, in ein Drahtſieb aus, breitet dieſem einen Bogen hellen Papieres unter und fängt an zu rütteln und zu ſ{hütteln, ſo wird man zu ſeiner nicht geringen Verwunderung auf dem Papiere ein reges Leben wahrnehmen und eine Menge derſelben Tierchen wiedererkennen, die man im Herbſte draußen im Freien antraf, vorausgeſebt, daß man ein treues Gedächtnis für dergleichen Dinge hat. Beiläufig geſagt, iſt dieſes Verfahren eine bekannte und vortrefflihe Methode für den Sammler, ſi< mit einer Menge beſonders kleinerer Tiere zu bereichern, die er auf den ſommerlihen Sammelgängen (Exkurſionen) überſieht oder abſichtlih unberüſihtigt läßt, weil er gerade andere Zwecke verfolgt.

Jm Waſſer und auf dem Lande, an Pflanzen und Tieren, auf dem Boden riechend oder in der Luft fliegend , allüberall, wo überhaupt tieriſhes Leben möglich, trifft man Inſekten an. Selbſt auf hoher See wurde ſchon von A. v. Chamiſſo im Stillen Ozean auf Seetang die von ihm Hylobates sericeus benannte Waſſerwanze aufgefunden. Nach ihm wurden mehrere, den Waſſerläufern nahe verwandte Arten und ein kleiner Käfer, Ochtebius marinus, als Meeresbewohner bekannt. Je weiter nah den Polen hin, deſto vereinzelter, deſto ärmer an Arten treten ſie auf; dem entſprechend nehmen ſie bis zu dem gänzlichen Verſhwinden ab, je höher man auf den Schneebergen vordringt, wie beiſpielsweiſe auf den Alpen der Schweiz bei 2812 m Meereshöhe, zahlreicher, mannigfaltiger und wunderbarer in Form und Farbenpracht werden ſie, je heißer der Himmelsſtrich iſt, in welchem ſie wohnen.

Man kennt ungefähr 2000 vorweltlihe Fnſektenarten, welche bereits im Silur Und Devon beginnen, in der Steinkohlenbildung bereits zahlreiher vertreten ſind, und veranſchlagt die Anzahl der no<h lebenden Arten auf 1 Million. Auch angenommen, es ſeien dieſe Ergebniſſe der Wahrſcheinlihkeitsrehnung zu hoch gegriffen, ſo iſt immerhin das Fnſektenheer ein ungeheuerlihes und übertrifft alle übrigen Tiere um ein Bedeutendes. Es iſt daher au< unmöglih, in dem Folgenden die Vollſtändigkeit nur annähernd zu erreichen, mit wel<her in den vorausgehenden Bänden die höheren Tiere behandelt worden ſind. Bei der Auswahl der Arten wurden die heimatlichen aus vielerlei nahe liegenden Gründen beſonders in das Auge gefaßt und die fremdländiſchen nur inſoweit berü>ſicßtigt, als ſie ergänzend zu einem allgemeinen Überbli>e für nötig erahtet wurden. Weil aber ſelbſt die Heimat noch einen nicht zu bewältigenden Stoff bieten würde, ſo fiel die Auswahl auf ſole Arten, die nach der einen oder anderen Seite hin ein allgemeines Fntereſſe für ſi< in Anſpruch nehmen dürften. Dieſelben ſind, um den Charakter des Ganzen zu wahren, in derjenigen Reihenfolge vorgeführt, welche im Syſtem zum Ausdru>e kommt.

Die Einteilung der Jnſekten in einzelne Ordnungen gründet ſih vor allem auf die Verſchiedenheiten in der Ausbildung der Mundwerkzeuge, des erſten Bruſtringes und der Flügel in Gemeinſchaft mit denjenigen in der freien Entwidelung. Solcher Ordnungen hat bereits Linné ſieben aufgeſtellt. Obgleich dieſelben neuerdings von manchen Forſchern um eine größere oder geringere Zahl vermehrt werden, können wir für unſere Zwe>ke im allgemeinen auf dem früheren Standpunkte beharren. Die ſieben Ordnungen ſind: Käfer, Hautflügler, Schmetterlinge, Zweiflügler, Neßflügler, Geradflügler und Schnabelkerfe.