Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 5

Geſäumter Fadenſ<hwimmkäfer. 51

Kompenſation8geſeß des Wachstums hinfällig wird. — Neuerdings bringt von Kieſenwetter eine andere Crklärung vom Dimorphismus der Dyticidenweibchen, welche den Darwinſchen Grundſätzen entſpriht. Davon ausgehend, daß die Flügel der Kerfe als Ausſtülpungen der Haut zu betrachten ſeien, welhe von Adern oder Rippen, den urſprünglichen Luſt röhrenſtämmen geſtüßt werden, daß in den Flügelde>en der Käfer dieſelben meiſt verwiſcht, aber immer no< nahweisbar ſind, werden die gerippten oder gefurhten Flügelde>en im Gegenſage zu den glatten von vornherein als die urſprünglichere Bildung betrachtet. Dafür ſpriht au< der Umſtand, daß ſchon in der Tertiärzeit Dyticiden mit gefur<ten Flügelde>en vorgekommen ſind. „Hat man nun“, fährt von Kieſenwetter fort, „die überaus formenreiche Entwi>elung des Jnſektentypus, als der dur< Tracheen atmenden Gliedertiere, nicht im Waſſer, wo man verhältnismäßig wenige Jnſekten antrifft, ſondern auf dem Lande zu ſuchen, wo ſie bekanntlih in unendlicher Vielgeſtattigkeit auftreten, ſo darf man insbeſondere die Dyticiden als urſprüngliche Carabenform anſehen, die dem Leben im Waſſer angepaßt worden iſt, oder beſtimmter im Darwinſchen Sinne geſprochen, die dem Waſſerleben fi allmähli<h angepaßt hat; niht umgekehrt die Caraben als Dyticiden, welche ſih zu Landraubtieren umgeſtaltet haben. Den Carabentypus kommt aber jenes Rippenſyſtem der Flügelde>en, deſſen Bedeutung wir eben darzulegen ſuchten, in ganz beſtimmt ausgeſprochener Weiſe zu, und man hat es daher auh für die Dyticiden als das uxrſprünglih typiſhe zu betrahten und folgereht anzunehmen, daß die anfänglih vorhandenen Furchen erſt dur< Anpaſſung an das Leben im Waſſer, für welches eine möglichſt glatte Körperoberfläche vorteilhaft war, allmählich beſeitigt worden ſind, daß aber gewiſſe Weibchen ſie in mehr oder minder modifizierter Form beibehalten haben, da ſie ihnen wieder in anderer Hinſicht (für die Begattung) von Vorteil waren, während andere Weibchen ſie gleich den Männchen verloren. Leßteren Weibchen kommt (abgeſehen von der mindeſtens problematiſchen Frage, ob ſie eine kräftigere Entwi>elung haben) die glatte Dberfläche für ihre Bewegungen im Waſſer zu ſtatten, erſtere dagegen haben Ausſicht auf zahlreichere Nachfommenſchaft, und jeder dieſer Vorteile iſt na< Darwinſcher Auffaſſung ſchon an ſi für ausreichend zu era<hten, um im Laufe der Generationen die entſprechende Bildung der Weibchen zu fixieren oder in Fällen, wo beide Momente ſih die Wage halten, die weiblichen Jndividuen in zwei Raſſen zu ſpalten, die unvermiſcht nebeneinander beſtehen, indem die minder begünſtigten Zwiſchenformen ausgemerzt werden.“

Wir müſſen es dem Leſer überlaſſen, ſih ſelbſt für die eine oder die andere Anſicht zu erflären oder feine von den beiden anzunehmen und in dieſen Unterſchieden nur den überall vorkommenden Ausdru> für den unendlichen Formenreichtum in der organiſchen Natur zu erkennen. Nach dieſer Abſ<hweifung, welche wir für geboten hielten, um einen Begriff zu geben, wie weit die Spekulation auf dieſem Gebiete von der eigentlichen For{hung ablenken fann, kehren wir zur Charakteriſtik des geſäumten Fadenſhwimmkäfers zurü>. Die Unterſeite ſeines Körpers und die elfgliederigen Borſtenfühler ſind gelb gefärbt, die Beine etwas dunkler. Wie die größeren Laufkäfer einen übelriehenden grünbraunen Saſt ausſpeien, um denjenigen außer Faſſung zu bringen und zur Freilaſſung ihrer Perſon zu nötigen, der einen zwiſchen die Finger nahm, ſo ſondern unſer Shwimmkäfer und die mittelgroßen anderen Arten aus dem Vorder- und Hinterrande ſeines Halsſchildes eine milhweiße Flüſſigkeit aus, welche glei<falls einen unangenehmen Geruch verbreitet.

Wollen wir der Entwickelungsgeſchichte dieſes Shwimmkäfers weiter nahgehen und ſomit einen Begriff von der der übrigen erhalten, die im großen Ganzen keine andere ſein dürfte, ſo brauchen wir nur eine Partie derſelben in ein Aquarium zu ſeen, welches über dem fieſigen Boden etwas Schlamm und ſtatt des üblichen Felſens in der Mitte einige Raſenſtücke enthalten müßte. Bei der großen Gefräßigkeit der Tiere verurſacht ihre

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