Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

82 Krebſe. Elſte Ordnung: Kiemenfüßer; Familie: Blattfüßer

Teil ſehr eigentümlichen Züge ihrer Fortpflanzungsweiſe und Entwickelung unſer Fntereſſe erregen und befriedigen. Von den meiſten Kiemenfüßern finden ſich die Weibchen maſſenhaft, die Männchen ſelten. Ja, von einer der gemeinſten Gattungen, dem Kiefenfuß, find die Männchen überhaupt erſt 1856 von Kozubowski entde>t worden. Von anderen fommen ſie nur eine kurze Zeit des Jahres vor, und es folgen ſi<h während der übrigen Monate mehrere Generationen ohne Zuthun dec Männchen. Auch darin unterſcheidet ſich der Haufe in ſeiner Geſamtheit von den anderen Ordnungen, daß ſeine meiſten Mitglieder im ſüßen Waſſer odez wenigſtens in Binnengewäſſern leben. Dies deutet auf eine uralte Abzweigung von dem urweltlichen Stamme der Krebſe.

Die Familie der Blattfüßer (Phyllopoda) umfaßt die größten der jeßt lebenden Branchiopoden und iſt zwar nur in wenigen, aber ausgezeihneten Gattungen verbreitet. Fhr dünnhäutiger Körper iſt meiſt von einer ſchildförmigen oder zweiktlappigen Schale bede>t und trägt an den zahlreichen Ringen des Nachleibes 10—60 Paare blattſörmiger Shwimmfüße mit Kiemenanhängen. Den Jungen fehlt ſowohl die Schalenhülle als die reihe Körpergliederung; auh erhalten ſie ein fremdartiges Ausſehen durch die als Nuderorgane dienenden großen Fühler, welche bei den ausgewachſenen Fndividuen mehr oder weniger eingehen. Sie ſ<hwimmen auf dem Rücken und ſeßen dur< ihr maſſenhaftes Erſcheinen an Orten, wo ſie jahrelang niht bemerkt wurden, denjenigen in Erſtaunen, der niht weiß, daß ihre Eier die Entwickelungsfähigkeit bewahren, auch wenn ſie mehrere Fahre eingetro>net lagen. Dies gilt beſonders vom Kiemenfuß, welcher gern auf Wieſen nah Überſhwemmungen ſi einſtellt. Ja, es ſcheint, daß für manche Arten das vorherige Eintro>nen eine Bedingung für die Entwickelung der Eier iſt, bei anderen hingegen \ſhadet es zwar nichts, iſt aber durchaus niht notwendig.

Die Gattung Kiemenfuß (Branchipus) gehört zu einer fleinen Gruppe mit geſtielten, beweglichen Augen; auch iſt ſein Körper niht von einer Schale umhüllt. Die meiſten der bekannten 18 Arten ſind im männlichen Geſchlehte oft ſehr bunt gefärbt und leben im ſüßen Waſſer; das größte Jntereſſe beanſprucht aber der Salinen-Kiemenfuß oder das Salzkrebschen (Artemia salina), welcher niht bloß im Meere, ſondern auch in künſtlih angelegten Salinen und in weit vom Meere entfernten, aber als Meeresüberbleibſel anzuſehenden Salzſeen und Salzlachen des Binnenlandes maſſenhaft vorkommt. Das Tierchen wind nur wenige Millimeter lang. J< fand dasſelbe in den ſchon ziemlich fonzentrierte Salzlauge enthaltenden Bottichen der Seeſalzſaline bei Greifswald, und man erzählte, daß das jähe Abſterben der Artemien das Zeichen für die Arbeiter ſei, daß die Salzlöſung hinlänglih dur< Verdunſtung an der Sonne konzentriert und zum Verſieden geeignet ſei. Auch in den Salinen des ſüdlichen Frankreih und bei Trieſt und Odeſſa, in den natürlichen Salinen von Adana bei Tarſus, wo es von dem bekannten Reiſenden Kotſchy beobachtet wurde, in den Natronſeen Ägyptens, nah S<hmardas Bericht, und an anderen Orten iſt das Tier gefunden worden.

Das Salzkrebscen iſt eine von den Arten, bei welchen die Fortpflanzung durch Eier, ohne männliches Zuthun, die ſogenannte Parthenogeneſis, ſicher beobachtet wurde. Die Mitteilungen hierüber von Karl Vogt und dem eine lange Reihe von Jahren mit diefen Erſcheinungen beſchäftigt geweſenen K. von Siebold geben uns zugleih weitere Einbli>e über Vorkommen und Leben dieſer Tiere. Vogt hatte aus Cette eine Sendung erhalten, welche in verſchloſſenen Gefäßen 36 Stunden unterwegs waren. Sie gediehen in einem mit Seewaſſer von ebendaher gefüllten Aquarium, legten Eier, und die Larven frohen aus.