Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

Salzkrebschen: Beobachtungen von Siebolds und anderer. Kiefenfuß. 85

fortwährend auf den Grund ihrer Waſſerbehälter fallen laſſen, deuten auf die ungeheure Gefräßigkeit dieſer Tierchen hin.

„Mittels des hier mitgeteilten Verfahrens iſt mir die Aufzucht der Artemien-Embryos, welche der aus Trieſt überſendete Schlamm in ſehr reihlicher Anzahl geliefert hat, auf das vortrefflichſte bis zur vollſtändigen Geſchlechtsreife gelungen. Jmmer waren es nur einzelne Fndividuen, welche in den verſchiedenen Behältern von meinem Beobachtungsmaterial mit Tode abgingen.“

Jm Jahre 1874 veröffentlichte ein ruſſiſher Forſher, Shmankewitſ\<h, über Artemia Salina aus den Salzquellen bei Odeſſa eine intereſſante und wichtige Arbeit. Bei Zerreißung eines Dammes wurde eine große Menge Salzkrebschen in einen mit abgeſeßtem Salze erfüllten Teil des Kujalniker Limans geſhwemmt. Während nun nah Wiederherſtellung des Dammes das Salzwaſſer dur< Verdunſtung ſich konzentrierte, verwandelte ſih die Artemia salina von Generation zu Generation in die aus konzentrierterem Waſſer bekannte Artemia Milhausenii, die man wegen Mangels der Shwanzlappen und Schwanzborſten und wegen ihrer geringeren Größe nah diefen Beobahtungen als eine unter ungünſtigen Lebensverhältniſſen degradierte Form anſehen kann. Shmankewitſ< erzielte dieſe Umwandlung auh dur künſtliche Zucht bei langſamer Verdichtung des Salzwaſſers in den Zuchtgefäßen, und es gelang ihm, dur<h die entgegengeſeßte Behandlung, d. h. dur ſtufenweiſe Verdünnung des Salzwaſſers, die Artemia Millausenii in Artemia salina überzuführen. Bei der künſtlihen Zucht der leßteren in nah und nah verdünntem Salzwaſſer bekam unſer Forſcher eine mit dem Kennzeichen von Branchipus Schaefferi verſehene Form, „welhe man gleichſam als eine neue Art Branchipus anſehen konnte.

„Überhaupt ſind alſo die Arten des Genus Artemia zur fortſchreitenden Ausbildung bei ſtufenweiſe verringerter Konzentration des Salzwaſſers geeignet, und finden ſie die hierzu nötigen Bedingungen in der Natur in denjenigen Salzpfüßen, welche nah einer gewiſſen Anzahl von Fahren dur< fortwährende Auswaſchung des ſalzhaltigen Bodens in Süßwaſſerpfüßen übergehen können. Und wirklich lebt die Artemia salina auch in ſolchen Salzpfüßen in der Nähe der Limane, in welchen bei geringer Konzentration des Waſſers noh Branchipus spinosus, bei no< mehr abnehmender Dichtigkeit aber Branchipus ferox und eine andere ſonderbare Art Branchipus mit hakenförmig eingebogenen Shwanzlappen, Branchipus medius, lebt.“

Weitere Beobachtungen erſtre>ten ſi< auf den Einfluß, welchen Temperaturerhöhung und die verſchiedenen Grade des Salzgehaltes des Waſſers auf die Fortpflanzungsverhältniſſe ausüben. Man muß mit Blindheit geſchlagen oder aus Liebe zur Stabilität verſtockt ſein, wenn man ſolche Beiſpiele niht als vollgültige Beweiſe für die Veränderlichkeit der Art, dieſes Angelpunktes der Abſtammungslehre, gelten laſſen will.

Ein weiteres, ſehr merkwürdiges Phyllopod iſt der Kiefenfuß (Apus). Der Körper der zwei in Mitteleuropa lebenden Arten iſt von obenher durch eine breite, ſchildförmige Schale bede>t, auf welcher vorn die beiden faſt miteinander verſhmelzenden Augen liegen. Sie haben niht weniger als 60 Paare von Kiemenfüßen, wovon jedo<h beim- Weibchen das elfte in zwei Bruſttaſchen zur Aufnahme der Eier umgeformt iſt. Sie leben in kleineren ſtehenden Gewäſſern, bei deren Eintro>nen die Tiere alle abſterben, während der Fort: beſtand dur< die im feſtgewordenen Schlamme ſi<h erhaltenden Eier geſichert iſt. Man fannte von ihnen bis zum Jahre 1856 die Männchen nicht. Der Entdecker derſelben hatte ſeine beſondere Freude, daß dies Ereignis gerade mit der hundertjährigen Jahresfeier der erſten über den „frebsartigen Kiefenfuß“ (Apus cancriformis) erſchienenen Monographie zuſammentraf. Jm Fahre 1756 hat nämlich der ſeiner Zeit berühmte Naturforſcher, der