Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

Körperbau. Nervenſyſtem. Sinneswerkzeuge. FortpflanzungSorgane, Einteilung. 95

iſt, Wie bei den Höhlen bewohnenden Käfern und Krebſen eine Verkümmerung des Geſihtes Plat griff, haben auch die in das Fnnere anderer tieriſcher Organismen ſih zurüdziehenden Würmer mit dem Bedürfnis den normalen Beſtand der Sinneswerkzeuge verloren.

Über den Verdauungsapparat aller Würmer zuſammen iſt kaum etwas zu ſagen.

Manthe paraſitiſhe Würmer ſind gänzlich ohne Darm. Sie haben die Bequemlichfeit, niht freſſen zu brauchen und ſich doh dur< die unwillkürlich vor ſi gehende Hautaufſaugung trefflih auf Koſten ihrer Wirte zu nähren. Andere niedere Würmer haben einen Darm gleih einem Beutel, andere wie ein Net; bei denen, welche raſh verdauen und umſegzen, iſ er \hlank und kurz, die langſam verdauenden, welche auf einmal Maſſen von Nahrung aufnehmen, wie die Blutegel, haben entſprehende Magenerweiterungen, gleih Vorratskammern. Gleichen Schritt mit der Entwi>kelung des Darmkanales hält das Blutgefäßſyſtem. An vielen höheren Würmern kann man es im Leben bis in die feineren Details beobahten. Man findet dann das meiſt rötlich gefärbte Blut in einige gröbere und viele feinere Adern eingeſchloſſen, und dieſe entweder vollkommene oder wenigſtens relative Abgeſchloſſenheit des Gefäßſyſtems, in welchem die größeren Stämme an Stelle beſonderer Herzen pulſieren, iſt wiederum eine charakteriſtiſhe Eigentümlichkeit wenigſtens der Gliederwürmer. Als Atmungsorgan dient bald die geſamte Hautoberfläche, bald finden ſi< an derſelben kiemenartige Anhänge, bald ſind gefäßartige innere Organe vorhanden, welche eine Vergleihung mit den Luftgefäßen der Fnſekten zulaſſen, indem ſie das zur Atmung dienende Waſſer tief in den Körper hineinleiten. Die komplizierteſten FortpflanzungSsorgane, gerade bei den niedrigeren Würmern verbreitet, wechſeln mit fehr einfachen, und alle möglichen Formen der Fortpflanzung, Knoſpenbildung, Verwandlung, Entwi>elung mit wechſelnden Formen (Generationswecſel), Paraſitismus vom Ei an bis zum Tode, Paraſitismus im Alter bei freien Jugendzuſtänden, Paraſitismus in der Jugend bei freier Lebensweiſe im Alter, Freiheit in allen Alterszuſtänden — alle dieſe Formen der Lebensweiſe und Entwi>kelung werden in bunteſter Mannigfaltigkeit an uns vorüberziehen.

Nach dieſen Andeutungen kann es niht wundernehmen, wenn man den Kreis der Würmer in faſt ebenſoviele Klaſſen zerſpalten hat, als in den vorhergehenden Bänden des „Tierlebens“ zuſammen abgehandelt worden ſind, und wenn wir innerhalb dieſer Klaſſen weit größere Extreme antreffen als in dem Kreiſe der Wirbeltiere und der Gliederfüßer. Welche Abweichungen und Umbildungen ſchon derjenige Paraſitismus hervorbringt, welcher ſich auf das Leben und Anſiedeln auf anderen Tieren beſchränkt, haben die Shmarogerkrebſe genugſam gezeigt. Viel tiefere, den Bau und die Entwi>elung treffende Veränderungen muß man alſo bei denjenigen Würmern erwarten, welche im Fnneren ihrer Wirte in den verſchiedenſten Organen ihren Aufenthalt und ihre Nahrung finden. Man iſt daher wohl geneigt, und au< die Tierkunde hatte dieſen Weg eingeſchlagen, anzunehmen, daß alle ſogenannten Eingeweidewürmer eine zuſammengehörige, abgeſchloſſene Klaſſe bildeten. Von dieſer auf einſeitiger Berückſichtigung des Aufenthaltes beruhenden Anſicht, bei welher man ſih {hon großer Fnkonſequenzen ſ{huldig macht, iſt die neuere Wiſſenſchaft gänzlih zurückgekommen. Die Eingeweidewürmer ſind untereinander ſo verſchieden wie die zeitlebens frei lebenden Würmer, und es beſtehen noch viel zahlreichere Übergangsformen von dem einen zu dem anderen, als wir oben bei den Schmarogerkrebſen und den übrigen freien Kopepoden ſahen.

Wir teilen die Würmer in folgende Klaſſen: 1) Rädertiere (Rotatoria), 2) Sternwürmer (Gephyrei), 3) Binnenatmer (Enteropneusta), 4) Ringelwürmer (Annelides), 5) Rundwürmer (Nemathelminthes) und 6) Plattwürmer (Plathelminthes ).