Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

96 Würmer. Erſte Klaſſe: Nädertiere.

Erſte Klaſſe. Die Rüdertiere (Rotator1a).

Schon die Krebſe haben uns in ſolche Regionen der niederen Tierwelt geführt, wo das unbewaffnete Auge nicht mehr ausreiht, auh nur den äußeren Umriß der betrefz fenden Geſchöpfe mit einiger Deutlichkeit zu erkennen. Jn demſelben Falle befinden wir uns einer großen Klaſſe von Tieren gegenüber, deren Entde>ungsgeſchichte eben wegen ihrer Kleinheit und ihres Vorkommens aufs innigſte mit derjenigen der Fnſuſorien verbunden wax und welche in der heutigen Lebewelt eine ſehr eigentümliche Stellung einnehmen. Dex berühmte Verfaſſer einer Urkunde deutſchen Fleißes, Chriſtian Gottfried Ehrenberg in ſeinem Werke: „Die Fnfuſionstierchen als vollkommene Organismen“, hat gezeigt, wie man ſeit der Erfindung der Mikroſkope teils aus bloßer Kurioſität, zur Ergößung des Auges und Gemütes, teils im wiſſenſchaftlihen Drange allmählich ſi< mit dem „Leben im kleinſten Raume“ vertraut machte, bis ihm ſelbſt, dem großen Naturforſcher, es vergönnt war, ein neues, nun erſt klares Licht über dieſe mikroſkopiſche Welt zu verbreiten, darin zu ſihten, zu ordnen und die Nädertiere als eine in ſich geſchloſſene Lierflaſſe von den eigentlichen Fnfuſorien zu trennen. Nicht hier, ſondern bei Gelegenheit der Snfuſorien haben wir einige Punkte aus jener Entde>ungsgeſchichte mitzuteilen, aus welcher hervorgeht, daß ſchon 1680 Leeuwenhoek einige Formen der Rädertiere ſah und gut beſchrieb. Die ſyſtematiſchen Schi>ſale dieſer Wurmordnung ſind überhaupt ziemlih wechſelvolle geweſen, bald als niederſte Krebſe, bald als ſelbſtändige Klaſſe der Gliederfüßer angeſehen, haben ſie vorläufig ihre Stelle bei den Würmern erhalten, an deren Spitze wix ſie nah dem Vorgang von Claus ſtellen wollen.

Die Rädertiere, deren größere Arten eine Länge von einem halben Millimeter und etwas darüber erreichen, haben faſt ausnahmslos einen dur<ſi<tigen Körper, den man, ſolange er lebt, bis in die innerſten Teile der Organe dur<ſ<auen kann. Dabei ſind die Hautbede>ungen von ſolcher Feſtigkeit und Prallheit, daß die Behandlung unter dem Mikroſkop bei einigem Geſchi> mit keiner Schwierigkeit verbunden iſt. F< führte oben an, wie die Betrahtung mancher kleinen Krebſe, z. B. der Waſſerflöhe, uns die anziehendſten Schauſpiele gewährt. Die meiſten Rädertiere feſſeln unter dem Mikroſkop in gleichem Grade das Auge. Form und Bau zeigen aber ein ſo apartes Gepräge, daß unſere an den Holzſhnitt anknüpfende Beſchreibung den Leſer, der hierbei an Bekanntes kaum ſih halten fann, ſo lange falt und unbefriedigt laſſen muß, bis ihm ein befreundeter Naturforſcher eins der überall zu habenden lieblihen und munteren Weſen bei 200—800maliger Vergrößerung wird in Natura vorgeſtellt haben. Die Nädertiere ſind bei vielfah we<ſelnder äußerer Form von ſo großer Übereinſtimmung im Bau, daß eins genau ſtudiert zu haben faſt ſo viel heißt, als alle kennen.

Wir betrachten eins der Schildrädertiere, den Noteus quadricornis, bei welchem die den Rumpfteil umgebenden Körperbede>ungen die Geſtalt eines flachen, \childförmigen Panzers angenommen haben. Die vielen feinen Bukelchen auf der Oberfläche des Panzers ſind im Holzſchnitt fortgeblieben, um die inneren Organe niht unklar zu machen. Man hat allen Grund anzunehmen, daß ſowohl die panzerartigen wie die weichen Hautbede>ungen aus jener die Gliedertiere charakteriſierenden Subſtanz, dem Chitin, beſtehen.