Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

Jhr Bau. 97

Der Panzer unſeres Muſtertierhens iſt vorn zierlih ausgeſhweiſt und mit hornartigen Fortſäßen verſehen. Unter ihm kann ſih der mit weiher Hauk bede>te Vorderteil ganz bergen. Beim Schwimmen und Freſſen entfaltet das Tier ſein Näderorgan. Zwei halhſchüſſelförmige, dur< Muskeln einziehbare und durch Eintreten von Blut aus der Leibeshöhle herausſtülpbare Fleiſchlappen tragen auf ihrem freien Rande eine Reihe zarter Wimpern, welche willkürlih in ſ{wingende Bewegung verſeßt werden können und dann in ihrer Geſamtheit bei manchen Rädertieren den Eindru> machen, als ob zwei Näder \ſi< raſh um ihre Achſe drehten.

Dieſe Erſcheinung, nah welcher man

die ganze Klaſſe benannt hat, iſt für jeden, der ſie zum erſtenmal ſieht, ſo überraſchend, daß man ſih niht wundern kann, wie ſie bis in die neuere Zeit den Eindruck des Wunderbaren gemacht hat und noh im Jahre 1812 zu der ernſtlihen Annahme verleitete, es ſei eine wirklihe Radbewegung, Man hat eine Reihe von Erklärungen dafür aufgeſtellt, unter anderen ſie mit jenem unterhaltenden optiſchen Spielwerk verglichen, wodurch an einer engen Öffnung eine Reihe von Figuren in verſchiedenen, einander folgenden Stellungen vorüber: ziehen und man den Cindru> hat, als ob eine einzige Geſtalt ſi< bewegte. Ehrenberg ſagt: „Jede Wimper dreht ſi< nur einfa< auf ihrer Baſis ſo wie der Arm eines Menſchen in ſeiner Gelenkpfanne und beſchreibt dadur<h mit ihrer Spie einen Kreis und mit der ganzen Länge einen Kegel. Selbſt ohne Verſchiedenheit in der Zeitfolge des Anfanges muß dabei durch das dem Auge bald Näher-, bald Fernerſtehen der Wimpern eine gewiſſe Lebendigkeit in den Kreis kommen, die, ſobald alle Wimpern ſih na< gleicher Richtung umdrehen, Sgild-Rädertier (Notens quadricornis). 300mal vergrößert. einem laufenden Rade gleichen wird.“ Jedenfalls handelt es ſih um raſh aufeinander folgende einzelne Geſichtsaffektionen, welche ſih derartig ab- und auslöſen, daß ſie den Eindru> einer einzigen zuſammenhängenden Bewegung machen. Beim Noteus ſehen wir zwiſchen den beiden großen Räderlappen einen ebenfalls mit Wimpern bede>ten Kegel. Zahlreiche Abänderungen in der Entwickelung des „Räderoxgans“ kommen in der Klaſſe vor. Die abweichendſte Form haben wohl das Kranz und das Blumentierhen Floscularia ornata (\. die Abbildung S. 103).

Das Wirbeln und Strudeln der Räderorgane läßt die Tiere ſehr elegant und mit einer langſamen, ſpiraligen Drehung ſhwimmen. Zugleich wird durch dieſen Strudel und den Wimperbeſaß des in den Mund hineinführenden Trichters die Nahrung zugeführt,

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Brehm, Tierleben. 3. Auflage. X.

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