Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

116 Würmer. Vierte Klaſſe: Ningelwürmer; erſte Unterklaſſe: Borſtenwürmev.

Schmarotzer auf unſeren Waſſerſhne>en angetroffen wird. Jhr Kopf iſt quer abgeſtußt und endigt mit der Mundöffnung, hinter welcher ein mit vielen winzigen Papillen beſebter und zum Teil hervorſtülpbarer Schlund liegt. Ein ferneres Unterſcheidungszeichen der Gattung iſt, daß ſie bloß Reihen von Hakenborſten hat. Alle dieſe Würmchen ſind für die mikroſkopiſhe Beobachtung angelegentlih zu empfehlen, da am lebenden Tiere, das man leiht in einem Waſſertröpfchen, bede>t mit einem leichten Glasblätthen, unter das Mikroſkop bringen kann, eine Menge von feinen Organiſationsverhältniſſen zu erſhauen ſind, und die Mühe durch die Lieblichkeit des Anbli>es reihlih auſgewogen wird.

Die Regenerationsfähigkeit iſt bei Oligochaeten eine ganz bedeutende, wie man ſhon ſeit dem vorigen Jahrhundert weiß, und werden bei derſelben ſowohl Kopf- als Schwanzende neu gebildet. Gelegentlih kommen au< Aförmige Regenwürmer vor, deren Geſtalt vielleiht auh auf einen Negenerationsprozeß oder auf ſeitlihe Sproſſung, wahrſcheinlicher indeſſen auf eine Entwickelungsſtörung zurückzuführen iſt.

Mit dex Regeneration Hand in Hand geht das Vermögen einer Anzahl von im Waſſer lebenden Formen, ſih durch freiwillige Teilung fortzupflanzen, wie es bei Lumbriculus, Ctenodrilus, Chaetogaster und Dero beobachtet worden iſt. Bei Chaetogaster geht die ungeſ<hle<tli<he Fortpflanzung während der Wintermonate an allen geſchle<tsloſen Jndividuen, auh wenn ſie bloß 1,5—2 mm lang ſind, vor ſi<h und wiederholt ſi< ſo raſh und häufig, daß Ketten von 16 kintereinander gelegenen Fndividuen gelegentlih zur Beobachtung kommen. Dieſe Fndividuen beſtehen anfangs aus nur drei, nah Neubildung des ſih einſchiebenden Kopfes aus vier Segmenten oder Ringen. Dero beſißt die Fähigkeit ſpontaner Teilung in der Jugend, bildet aber keine Ketten, ſondern es entſteht in der Mitte ein neuer Kopf, und nur zwei Fndividuen bleiben geraume Zeit, während der ihre Geſchle<tsorgane unentwi>elt ſind, hintereinander im Zuſammenhang.

Weit zahlreicher iſt die aus\<ließli<h das Meer bewohnende Ordnung der Vielborſter (Polychaetae), welhe in der Regel jene anſehnlihen und ſo verſchieden, oft re<t fompliziert gebauten Borſten in beſondere ſeitlihe Fußſtummel eingefügt tragen, mit wenig Ausnahmen getrennten Geſchlechtes find und ſih immer mit einer, meiſt dazu noh recht komplizierten Metamorphoſe entwi>eln.

Fn gewiſſem Sinne bildet die kleine Familie der Kopfringler (Capitellidae), über welche Eiſig eine vorzügliche Monographie herausgegeben hat, einen Übergang von den Oligochaeten zu den Polychaeten. Die getrennt geſchle<tli<hen Tiere ſind im Verhältnis zu ihrer Breite lang, wenn auh meiſt niht von bedeutender Größe (von 3,5 mm bis 15 cm), nur Dasybranchus caducus erreicht eine Länge von 1 m. An ihrem Körper laſſen ſi deutlih zwei Abſchnitte unterſcheiden, ein lebhaft roter, kürzerer, vorderer mit ganz rudimentären anhangsloſen Fußſtummeln, und ein blaſſerer, längerer, hinterer, an dem die Fußſtummel auh nur wenig vorſpringende Wülſte bilden und die bald einfachen, bald verzweigten Kiemen tragen. Jn der Mundhöhle befindet ſi< ein mächtiger, vorſtülpbarer Nüſſel , der bloß mit Papillen beſeßt, ſonſt aber unbewaffnet iſt. Die Augen ſißen als Pigmentfle>e am Kopflappen und treten bei manchen Arten in ziemlich anſehnlicher Zahl zeitlebens, bei anderen nur in der Jugend auf, um ſich im erwachſenen Zuſtande auf ein Paar zu reduzieren. Die Gattung Capitella hat zeitlebens nur ein einziges Paar, was offenbar der neueſte Zuſtand iſt. Die Augen ſpielen bei der Lebens1weiſe dieſer Tiere, die ſih in Sand und Schlamm einbohren, eine nebenſächliche Rolle.