Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

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Trichine. Peitſhenwurm. Saitenwürmer. 169

die ſieben dabei beteiligten Perſonen in einem Gaſthauſe. Wurſt, Schinken, Weiß- und Rotwein 2c. waren aufgetiſht. Alle ſieben erkrankten ſehr heftig, vier ſtarben, und da einer achten Perſon, welche nur ein Glas Notwein getrunken, nichts zugeſtoßen war, glaubte man an eine Vergiftung dur< den anderen Wein. Es kam nichts heraus, doh war der Verdacht gegen den Wirt ſo groß, daß derſelbe ſi< zur Auswanderung genötigt ſah. Als einer der Geneſenen 1863 ſi<h eine Geſhwulſt am Halſe operieren ließ, erkannte Profeſſor Langenbe> in dem bloß liegenden Muskel eine Maſſe eingekapſelter Trichinen, und die Krankheitserſheinungen bei der vermeintlihen Vergiftung laſſen kaum eine andere Deutung als auf Trichinoſe (die Trichinenkrankheit) zu.

Soll die Muskeltrichine zur Geſchlehtsreife gelangen, ſo iſt, womit unſere Darſtellung begann, die Verſetzung in den Darmkanal des Menſchen oder gewiſſer Tiere notwendig. Nach den bisherigen Beobachtungen und Verſuchen tritt dieſe legte Entwi>kelungs- und Lebensperiode in folgenden Tieren ein: Pferd, Schwein, Kaninchen, Haſe, Meerſchweinchen, Maus, Ratte, Kate, Hund, Jgel, Kalb, Uhu, Eichelhäher, Taube, Truthahn, Haushuhn. Dieſe Liſte wird wahrſcheinlih ſih noh ſehr vermehren laſſen. Jedoch findet bei keinem Vogel eine Einwanderung der jungen Brut in die Muskeln ſtatt; von den Säugetieren aber ſind die dem Menſchen regelmäßig zur Nahrung dienenden Kaninchen, Haſen und Ninder natürlih nur unter ganz beſonderen Umſtänden der Trichinoſe ausgeſeßt und können fügli<h als eine Quelle der Anſte>ung für den Menſchen nicht ange®ehen werden. Alle Welt weiß, daß die Vorſichtsmaßregeln auf das Schwein zu konzentrieren ſind, für dieſes aber ſheinen Maus und Ratte, welche gelegentlich gefreſſen werden, häufig die Vermittler der Anſte>ung zu ſein.

Ein harmloſer, wenn auch zur ſelben Familie wie die Trichine gehöriger Bewohner des Menſchen iſt der Peitſhenwurm (Trichocephalus dispar), über 3 cin lang. Der vordere Körperteil, wel<her den verhältnismäßig langen Schlund enthält, iſt haar: förmig und wird in die Schleimhaut meiſt des Blinddarms eingebohrt, der hintere di>, ſtumpf abgerundet. Sein Vorkommen iſt ebenſo häufig wie das des Spulwurmes/ und die Gelegenheit, ſeine Eier zufällig zu verſhlu>en, dieſelbe. Die Eier halten ſi< monate-, ja 1—2 Fahre lang im Waſſer und in der Erde, wobei die Entwickelung ſehr langſam vor ſih gehen, au<h dur< wiederholtes Eintro>nen unterbrochen werden kann. Da es, nah Fütterungsverſuchen, welche Leu>art mit dem Peitſhenwurm des Schafes (Trichocephalus affinis) und des S<hweines (T. crenatus) anſtellte, höhſt wahrſcheinli< iſt, daß die Entwi>elung auc des Peitſhenwurmes des Menſchen ohne Zwiſchenwirt abläuft, ſo ſind alle jene Möglichkeiten da, welhe auh der reinlihſte Menſch nicht völlig vermeidet.

Durch manche intereſſante Eigentümlichkeit des Baues und der Lebensweiſe iſt die Familie der Saitenwürmer (Gordiidae) ausgezeihnet. Schon ſeit Jahrhunderten wird derjenige Saitenwurm, welcher ſeit Linné den Namen Gordius aquaticus führt, in den naturgeſchihtlihen Schriften erwähnt. Der wahrſcheinlich ſehr alte, im Volke entſtandene Name „Waſſerkalb“ iſt ſeit 1550 dur<h Gesner aufbewahrt. Die auffälligen Verſchlingungen und Verknotungen, welche die Tiere auf dem Grunde der Gewäſſer einzeln oder zu mehreren bilden, ließen ſie mit einem Gordiſchen Knoten vergleichen, und zum Gordiſchen Knoten geſtaltete ſich dem Paſtor Göze in Quedlinburg, dem Verfaſſer der ausgezeichneten „Naturgeſchichte der Eingeweidewürmer“, die von uns jezt Mermis genannte Gattung, deren dunkle, mit Einwanderungen in Fnſekten verknüpfte Lebensgeſhichte ihm unlösbar ſchien.

Wir unterſcheiden unter den Saitenwürmern zwei Gattungen. Von der einen Gordius, fommen bei uns mehrere Arten vor, welche früher niht unterſchieden und als