Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

TS Würmer: Sechſte Klaſſe: Plattwürmer; erſte Drdnung: Bandwürmer.

einer ganzen Reihe von Bandwürmern eigentümliche Entwi>elungszuſtand ſei. Daß Mißgriffe, zum Teil tragikomiſcher Natur, unterliefen, iſt niht zu verwundern. Als unſer - Freund Küchenmeiſter auf der Naturforſcherverſammlung in Gotha im Fahre 1851 mit dem Fanatismus der Überzeugung ſeine Theorie vortrug, nahdem es ihm ſchon wiederholt gelungen war, die Finne des Kaninchens im Darme des Hundes zu einem ſ{<hönen Bandwurm zu erziehen, erbot er ſih zu demſelben Experiment während der Tage der Verſammlung. Mit no einem jüngeren Naturforſcher hatte ih die Ehre, Küchenmeiſter zu aſſiſtieren. Kaninchenfinnen waren da, aber kein Hund. Küchenmeiſter meinte, es würde wohl auch mit einer Kate gehen, und einen ungeheuern, ſehr ſtörriſhen Kater in einem Sade, begaben wir uns in einen Keller des Theaters, deſſen Räume den Naturforſchern zur Dispoſition ſtanden, um dieſem Kater die Finnen beizubringen. Der Kater hatte eine Ahnung, daß er nicht der re<hte Wirt ſei, kraßte und biß und ſpu>te wiederholt die Finnen aus, die wir ihm ins Maul geſte>t. Endlich gelang die gewaltſame Fütterung; nah zwei Tagen wurde das Opfer der Wiſſenſchaft geſ<lahtet, aber von Finnen und beginnenden Bandwürmern feine Spur in ihm gefunden. Natürlich that dieſer unbedeutende Zwiſchenfall dem Fortſchritte der richtigen Erkenntnis dieſer Verhältniſſe keinen Eintrag. Man ſah eben ein, daß gewiſſe Finnen nur in gewiſſen Tieren ihre Ausbildung zum Bandwurm erlangen.

Die dur< Küchenmeiſter angeregten Verſuche, welche die in der Natur mehr oder weniger dem Zufall anheimgegebenen Vorgänge unter die Kontrolle und Leitung des Beobachters ſtellen, wurden nun hundertfältig na< beiden Richtungen hin fortgeſeßt. Einmal galt es, ſih zu überzeugen, in dem Darme welches Tieres ſich der in einem anderen Tiere lebende Blaſenwurm zur Bandwurmkolonie erhebt, und umgekehrt hatte man den Weg zu er— S forſchen, welchen die ſehshafigen Larven bis zur Verwandlung in a) Blaſenwurm. þ) Aus- die Blaſenwurmform durhmachen. Jm Freien kommen die in den E Eiern eingeſchloſſenen Jungen nicht aus. Dieſe Eier müſſen vielmehr

in den Magen eines beſtimmten Tieres, z. B. die Eier des Kabenbandwurmes in den Magen der Maus, die eines der Hundebandwürmer in den Magen des Kaninchens oder Haſen gelangen, um hier unter dem Einfluß der Magenſäure binnen wenigen Stunden ſih zu öffnen und den ſehshakigen Embryo ausſ<lüpfen zu laſſen. Dieſe nunmehr freien Larven maten ſih aber ſchr bald auf die Wanderung, dur<hbohren die Magenwände und gelangen nah und nach in den verſchiedenſten Organen an, wo eine Umwandlung mit ihnen vorgehen ſoll. Am häufigſten iſt das Ziel dieſer Wanderung die Leber. Einzelne dringen bis in die Knochen, und z. B. die Queſe der Schafe dringt regelmäßig bis in das Gehirn vor. Angekommen am Ziele, umgibt ſih das winzige Tierchen, nachdem es die nunmehr unnüß gewordenen Haken abgeworfen, mit einer Kapſel, in welcher es ungefähr !/10 mm mißt. Es iſt damit in eine zweite Lebensperiode getreten, in welcher es zum ſogenannten Blaſenwurm ſih umbildet. Fm Fnneren des rundlichen Körpers (Fig. a) ſammelt ſi eine Flüſſigkeit, wodur< der Körper mehr und mehr zu einer Blaſe aufgetrieben wird, auf deren Wand als Zeichen lebhaften organiſchen Prozeſſes ſi ein Ney waſſertlarer Gefäße entwidelt,

Bald zeigt ſi<, nah dem Jnneren der Blaſe ragend, ein Zapfen, die Anlage des Bandwurmkopfes. Derſelbe iſt von außen ſehr hohl; man kann ſi ihn alſo vergegenwärtigen dur einen in die Fauſt des Handſchuhes eingeſtülpten Handſchuhfinger, und in dieſer Höhlung liegen die Saugnäpfe und der Stachelkranz, ſo daß beim Ausſtülpen des

E —