Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, page 620
564 Hohltiere. Zweiter Unterlveis: Neſſeltiere; erſte Klaſſe: Polypquallen,
die ih hatte zuſammenfahren ſehen, überlief, ſo ſahe ih bald, wie ſie wieder anfingen ſih auszuſtre>en. Jhre Arme kamen aufs neue zum Vorſchein, und es nahmen dieſe Polypen ihre erſte Geſtalt wieder an. Dies Zuſammenziehen der Polypen, ſamt allen Bewegungen, die ih ſie machen ſahe, wenn ſie ſih von neuem ausſtre>ten, erwe>te in mir den lebhaften Gedanken: daß es wirkliche Tiere wären.“
Trembleys Zweifel an der Tierheit der vor ihm ſhon von Leeuwenhoek entde>ten, aber wieder in Vergeſſenheit geratenen Geſchöpfe waren jedo<h noh nicht beſeitigt. Es konnten ja „empfindſame“ Pflanzen ſein. Erſt als er ſie na< Art der Spannraupen dur<h abwechſelndes Aufſeßen der Arme und des Fußendes ſi<h bewegen ſah, hatte er die volle Überzeugung gewonnen, und nun entde>te er auch, daß ſie Licht und Dunkel unterſchieden und ſich regelmäßig an derjenigen Stelle des ſonſt verdunkelten Glaſes verſammelten, wo er den Lichtſtrahlen Zugang geſtattet hatte.
Jn das höchſte Erſtaunen verſetzte ihn aber die Beobachtung, daß in Stücke zerſ<nittene Polypen niht zu Grunde gingen, ſondern daß die Teile ſi< zu neuen Polypen entwi>elten. Er hatte folgende Probe machen wollen. Sind die Beſchöpfe Pflanzen, ſo werden davon abgeſchnittene Stücke gleih Reiſern weiterwahſen. Unterdeſſen hatte er ſih von der Tierheit überzeugt, und es war nun nach den damaligen Anſichten über das Weſen des Tieres etwas Unerhörtes, daß aus den Stücken denno< neue Jndividuen erwuchſen. Von hier an ſchreiben ſih die berühmten Teilungsverſuche, mit denen er in der ganzen Naturforſcherwelt und weit darüber hinaus das ungeheuerſte Aufſehen erregte.
Unter Trembleys Nachfolgern verdient beſonders der liebenswürdige Nürnberger Röſel hervorgehoben zu werden, der 1755 im dritten Teile der „monatlich herausgegebenen Jnſektenbeluſtigung“ in ſeiner naiven und anziehenden Weiſe ſeine Beobachtungen mitgeteilt hat. Er unterſchied in der Umgebung von Nürnberg vier Arten von Hydren, welche, wie wir geſtehen müſſen, heute no< niht beſſer unterſchieden worden ſind, als es ihm damals mögli<h war. Nur zwei ſcheinen feſt begründet: die große langarmige und kfnoſpenreihe braune und die kleinere kurzarmige grüne. Die beiden anderen von Röſel unterſchiedenen ſind möglicherweiſe Abarten. Die Lebensweiſe der Süßwaſſerpolypen iſt von Röſel ſehr ſorgfältig und rihtig beobachtet worden. Er beſchreibt die Art, wie ſie ſih der Beute, mikroſkopiſcher Krebſe und Naiden, bemächtigen, wobei ihm allerdings die Wirkung der Neſſelzellen verborgen blieb. „So viel ih bemerkt habe“, ſagt er, „Jo geſchieht ſol<hes auf dreierlei Art. Denn manchhmalen hat der Polyp ſeine Arme nicht völlig ausgeſtre>et, und wenn ſodann ein kleines Jnſekt oder ein Waſſerfloh nahe bei ihm vorbei ſ<wimmt, bieget er ſi<h wohl nah ihm und ergreiſt ſolches mit allen ſeinen Armen zugleich ſehr behende, ſo, wie eine Spinne mit ihren Füßen eine Müe zu ergreifen pfleget. Hernachen ſißen die Polypen manhmalen mit ihren ſehr lang ausgeſtre>ten Armen ganz ſtille; fähret nun aber ein Waſſerfloh etwanen zu nahe bei ihnen vorbei, ſo machen ſie mit dem Arme, denen ſolcher am nächſten iſt, eine geringe Bewegung, ohne daß ſie ihn, wie ſie auh man<hmalen zu thun pflegen, damit umfaſſen, ſondern ſie dürfen nur den Waſſerfloh damit berühren, ſo bleibet folher gleih daran behangen, wie ein Vogel an der Leimruten hangen bleibt, und dieſes geſchiehet ſowohl am äußerſten Ende des Armes, als auc in der Mitte und nahe am Kopfe. Wenn aber das Fnſekt gefangen iſt, ſo ziehet es der Polyp ganz ruhig zum Munde und verſchlu>t ſoles. Doch habe ih au< manchmalen geſehen, daß ſih die Waſſerflöhe, wenn ſie gefangen wurden, wieder mit vieler Mühe loszumachen geſuchet und loëgeriſſen haben, ohne daß ſich der Polyp derſelben wieder habhaft zu werden im geringſten bemühet hätte.“ Als dritte Art, mit der Beute fertig zu werden, wenn dieſelbe größer iſt, beſchreibt Röſel den Fang einer Naide, die mit einen oder zwei Armen gefaßt, alsdann aber auh von den übrigen Armen umſtri>t wird.