Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, page 622

566 Hohltiere. Zweiter Unterkreis: Neſſeltiere; erſte Klaſſe: Polypquallen.

herabfahren, in dem Waſſer nah einer krummen Linien herumſhwimmen, bald darauf aber wieder mit gleicher Geſchwindigkeit auf den Polyp zurück kommen. Endlich aber ſcheinet es, als würde der Polyp müde, ſih ihnen zu widerſeßen; und da wird er öfters ſo voll dieſer Läuſe, daß man ihn kaum mehr für das, was er do< wirkli<h iſt, halten ſollte; bald darauf aber verliert er ſeine Arme und mit ſelbigen auh das Leben.“

Als größte Merkwürdigkeit aber erſchien jenen alten Naturforſchern die Eigenſchaft der Süßwaſſerpolypen, daß man ſie künſtlich zerteilen und aus den entweder noh zuſammenhängenden oder gänzlich abgetrennten Stücken neue Tiere oder neue Köpfe, Shwänze, Arme heranwachſen laſſen könnte. Es wurden Tauſende von Polypen auf alle mögliche Weiſe angeſchnitten, geſpalten, kreuz und quer geteilt und die tollſten Monſtren und Mißgeburten erzogen und viel hundertfah abgebildet. Trembley brachte es dahin, eine Hydra in 50 Stücke zu zerſhneiden und alle 50 zu neuen Polypen zu erziehen. Röſel berichtet, daß ex einen Polypen nah allen Richtungen aufs Geratewohl zerſtücelt und ebenfalls eine ganz neue Brut erhalten habe. Die künſtlichen Mißgeburten mit vielen Köpfen und vielen Schwänzen wurden den teilnehmenden Naturfreunden gezeigt, und die Philoſophen, wie Bonnet und Cruſius, bemäctigten ſih der Verſuche, um daran über die Einheit, Vielheii oder Teilbarkeit der Seele Spekulationen anzuknüpfen. Faſt noh größeres Erſtaunen rief aber Trembleys im Jahre 1742 angeſtellter und, wenn man » den Berichten glauben darf, gelungener Verſuch her#% vor, den Polypen umzukehren oder umzufrempeln, wie man an einem Handſchuhfinger das Fnnere nah außen bringt. Die Operation wollte ihm anfänglich, — mo er ſie an Polypen mit leerem Magen vornahm, D E: “ nicht gelingen; ſie hatte aber den ſchönſten Erfolg Künſtli E 4 FLE LE nach einer tüchtigen Mahlzeit des Tieres; wir werden

gleich. ſehen, warum. Es iſt höchſt wünſchenswert, daß dieſe Verſuche, die in unſerem Jahrhundert, wie es ſcheint, gar niht wiederholt und kontrolliert wurden, von neuem ſorgfältig angeſtellt werden, und deshalb mag uns Trembley ſein Vorgehen erzählen.

„Den Anfang mache ich ſo, daß ih dem Polypen, den ih umkehren will, einen Wurm (Naide) zu freſſen gebe. Hat er den verſhlu>t, ſo ſhreite ih ſelbſt zur Operation. Jh habe niht nötig, die völlige Verdauung des Wurmes abzuwarten, ſondern ih thue gleich den Polypen, deſſen Magen recht voll iſt, mit etwas Waſſer in meine hohle linke Hand. Hierauf drüce ih ihn mit einem kleinen Pinſel mehr am Hinter- als am Vorderteile. Auf ſolche Art treibe ih den Wurm aus dem Magen nah des Polypen Maule zu. Dadur<h muß \i< ſol<hes aufthun, und indem ih den Polypen wieder mit dem Pinſel etwas drüde, ſo fommt ein Teil des Wurmes aus dem Maule heraus, und ſolchergeſtalt wird der Magen deſto lediger, je weiter der Wurm vorn heraustritt. Dadurch, daß der Wurm aus des Polypen Maule gedrü> wird, muß ſi< ſolches ziemli<h weit aufthun. Jſt nun der Polyp in dieſem Zuſtande, ſo bringe ih ihn ſehr behutſam auf den Rand meiner Hand, der bloß etwas angefeuchtet iſt, damit der Polyp nit zu ſtark anklebe. F< nötige ihn alsdann, ſi< immer mehr zuſammen zu ziehen, und eben dadur< wird auh Maul und Magen deſto mehr erweitert. Hierauf nehme ih in die rechte Hand eine