Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, page 623
Süßwaſſerpolypen: Teilbarkeit; Umſtülpungsfähigkeit. — Scheibenquallen. 567
ziemlih di>e und ſtumpfe Schweinsborſte (andere ſpäter eine feine Ste>knadel) und faſſe ſie dergeſtalt, wie man eine Lanzette zum Aderlaſſen hält. Das di>kſte Ende halte ih an das Hinterende des Polypen und ſtoße es bis in den Magen hinein, welches deſto leihter von ſtatten geht, da er hier ledig und ſehr erweitert iſt. Hierauf drüde ih die Shweinsborſte immer weiter fort. Je weiter ſolhe nun hinein gehet, deſto mehr kehret ſih der Polyp um.“ Kurz, der Polyp ſißt zuleßt ſo auf der Shweinsborſte, wie Münchhauſens Bär auf der Deichſel, aber das Au8wendige iſt zum Fnwendigen geworden, und er wird nun, mit der Borſte ins Waſſer gehalten, mit dem Pinſel von der Borſte abgeſchoben. Da es oft vorkam, daß der umgewendete Polyp mit der Wandlung nicht zufrieden war und ſi ſelbſt wieder in ſein natürlihes Daſein zurückſtülpte, kam der erfindungsreiche Trembley auf den Gedanken, ihn nah vollendeter Operation gleich einer Wurſt zuzuſpeilen. „Denn“, ſagt Trembley, „es iſt für einen Polypen nichts, aufgeſpießt zu werden.“ Die Trembley ſchen Verſuche wurden neuerdings von einem Japaner JFſchikawa, einem Schüler Profeſſor Wei8manns in Freiburg, wiederholt, wobei der Forſcher zu folgendem Reſultat kam: „Die umgeſtülpten Hydren kehren ſih wieder um, wenn die Umkehrung für die Tiere überhaupt möglih iſt, und wenn dies niht der Fall iſt, ſo gehen ſie zu Grunde. Die durhbohrende Borſte iſt kein Hindernis gegen das Zurückſtülpen in die urſprüngliche Lage. Die Umſtülpung geht aber oft in ſo kurzer Zeit vor ſich, daß man ſie leiht überſehen kann, falls man niht kontinuierlih beobachtet. Will eine Hydra Nahrung zu ſi< nehmen, die ſo groß iſt, daß ihr Maul ſi< über das gewöhnlihe Maß ausdehnen muß, ſo ſtülpt ſie ſi< um. Eine Hydra, welche ſih ſo umgeſtülpt hat, kehrt ſogleih in ihre normale Lage zurü>. Dieſe Thatſache iſt von Jntereſſe, weil ſie uns die Möglichkeit einer Erklärung gibt, weshalb eine künſtlih umgeſtülpte Hydra gleich wieder umzukehren ſucht.“
Dritte Dvrdnung. Die Scheibenquallen (Discomedusae s. Acaleph ae).
Zahlreicher, dur zarte Farben ausgezeihnet, ſind die größeren carakteriſtiſhen Formen der nah ihrer Geſtalt benannten Schirm- oder Scheibenquallen. Jh erinnere mich eines ftöſtlihen, faſt windſtillen Tages, wo ih auf einem Kauffahrer in der Nähe der ſüdnorwegiſhen Küſte an Tauſenden und Abertauſenden der gelblihen und gelbrötlichen Cyaneen und Chryſaoren (Chrysaora ocellata, \. Abbildung S. 568) vorbeitrieb. Die weſtlichen Oſtſeehäfen werden bei anhaltenden nördlichen Winden oft mit ganzen Bänken der blauen Meduſe (Aurelia aurita) angefüllt, und wenn ih au< ähnlihe maſſenhafte Anhäufungen im Mittelländiſhen und Adriatiſchen Meere niht erfahren, ſo habe ih ſelten da und dort eine Ausfahrt gemacht, ohne vielen oder wenigſtens einigen der prächtigen Wurzelmäuler (Rhizostoma) zu begegnen. An ſchönen Frühlingstagen ſieht man ſie au<h faſt regelmäßig unmittelbar am Strande, wo denn dieſe und jene der großen lebendigen und rötlih blauen Halbkugeln ſcheitert und bald zu einem Nichts ſich auflöſt. Denn alle Quallen haben ein ſo waſſerreihes Körpergewebe, daß, wenn man mäßig große ſcheibenförmige Exemplare auf Fließpapier legt, ſie bis auf eine ihre Umriſſe wiedergebende Zeichnung, einen der natürli<hſten Naturſelbſtdru>e, verdunſten.
Die größeren 11/2 bis über 18 cm im Durhmeſſer habenden Meduſen ſind denn auh die allen Küſtenbewohnern ſehr bekannten Repräſentanten dieſer CoelenteratenGruppe. Fn ihnen hat ſie die höhſte Entwi>elung erreicht. Den größten Teil des Körpers bildet der nah oben abgerundete Schirm, deſſen Rand gewöhnlih mit 4—8