Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

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Desmacidinen. Achſenſ<hwamm. Esperiopsis. Bohrſhwamm. 645

Wenn aber nicht die Bohrſhwämme ſeit Urzeiten gearbeitet hätten, würden die Kalkund Kreideſchichten der Erdrinde und die aus dieſen Geſteinen beſtehenden Küſten der heutigen Meere eine durhaus andere Ausdehnung und Geſtalt beſißen. Nur die Foraminiferen, die wir im nächſten Abſchnitt kennen lernen, und die Polypen laſſen ſi< in ihrer \ſchihtbildenden, aufbauenden Thätigkeit mit den entgegengeſeßt wirkenden, in koloſſalem Umfange zerſtörenden Bohrſhwämmen vergleichen. Ein großer Teil der Küſte des Mittel: und Adriatiſhen Meeres wird aus Kalk gebildet, der in ſeiner Neigung zur Zerklüftung der Küſtenlandſchaft das eigentümliche, oft ſo“ anziehende Gepräge gibt. An dem ſo zerriſſenen dalmatiniſchen Geſtade kann man ſicher einige tauſend Meilen Strand abmeſſen, und wo irgend der nicht zu jähe Abfall es geſtattet, bede>en größere und kleinere Steine und Felsbruchſtü>ke den Boden. Man kann kaum einen dieſer Milliarden von Steinen aufheben, ohne ihn mehr oder minder durchlöchert und zerfreſſen zu finden, oft in dem Grade, daß man die lo>eren Reſte des ſonſt äußerſt feſten Geſteines in der Hand entzweidrü>en kann. Das Ausſehen der Höhlungen iſt meiſt ſo, wie unſere Abbildung auf S. 646 zeigt. Es liegt ein beſtimmter, niht in Worten wiederzugebender Charakter darin, den auch die Öffnungen auf der Oberfläche bewahren. Alle Höhlungen ſtehen miteinander in Verbindung. Man braucht nicht weit zu ſuchen, um teils loſes Geſtein, teils die Außenchi<t von Felſen, ſoweit das Waſſer reiht, ebenſo zerfreſſen, aber die Höhlungen noh mit dem Angreifer, einem gelblihen Shwamme, erfüllt anzutreffen, der weitverbreiteten Vioa celata. Jedes Loch auf der Steinfläche entſpricht einem Osculum; in dieſen Löchern bricht ſich der Shwamm entweder zur Oberfläche durch, oder er beginnt, indem ex ſi als Larve anſiedelt, ſeine Bohrthätigkeit mit der Aushöhlung einer Vertiefung, von wo aus er dann nach allen Seiten zerſtörend weiter dringt.

Auch viele, meiſt feſtſivende Muſcheln werden von Bohrſ<hwämmen heimgeſucht, und das iſt immer ſo geweſen, E ; wie die foſſilen Muſchelſhalen zeigen. Es laſſen ſich nah GE Farbe, Form der Höhlungen und der Geſtalt der Kieſel: nadeln zahlreiche Arten von Bohrſhwämmen unterſcheiden, von denen wir die ebenfalls in Auſtern und namentlich die in Spondylus niht ſeltene, dur<h prächtiges Karmoiſin leicht tenntlihe Vioa Johnstonii hervorheben. Nie werden jedo<h die Muſcheln, ſolange ſie lebendig ſind, derart von den Bohrſhwämmen zerfreſſen, daß dadur<h das Leben des Muſcheltieres gefährdet wäre; man findet immer die innerſte, dem Mantel anliegende Scalenſchiht undur<hbrochen. Überhaupt geht die Zerſtörung der Konchylien nicht ſo weit als die am Geſtein. Wahrſcheinlih hängt dies mit der eigentümlichen Beſchaffenheit der Schalen und Gehäuſe, der Anweſenheit von organiſcher Grundlage zuſammen, welche der zerſtörenden Kraft mehr Widerſtand leiſten.

Dies führt ſ{<ließli<h zur Frage, auf welche Weiſe ſi< die Bohrſhwämme einfreſſen. Wahrſcheinlih geſchieht das auf doppelte Weiſe. Sie treten nur auf in Kalkſteinen, Mollusfkenſchalen, abgeſtorbenen Korallen, kurz in weſentli<h aus Kalk beſtehenden Bil: dungen. Die frei ſ{hwimmende Larve wird ſih in irgend eine kleine Höhlung derſelben