Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

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Einfreſſen der Bohrſhwämme in Kalkſteine. Süßwaſſerſ<hwämme. 647

Zu den Kieſelſhwämmen mit einachſigen Nadeln gehören auch die einzigen Vertreter des Unterkreiſes, welche das ſüße Waſſer bewohnen, die Süßwaſſerſ<hwämme (Potamospongiae). Der Formenreihtum derſelben iſt ziemlich bedeutend, aber die einzelnen Arten ſind ſ<hwer gegeneinander abzugrenzen, ſie gehen ineinander über und bilden zahl: reihe lokale Raſſen. Die Tiere ſcheinen in faſt allen ſüßen Gewäſſern der Erde vorzukommen, ja man hat ſie in den ſeit je dem Tageslicht entzogenen Tümpeln und Bächen der Höhlen Krains gefunden, und ſie ſind gelegentlich in den Nöhren ſtädtiſcher Waſſerleitungen angetroffen worden. Auch der Verbreitungskreis mancher Arten iſt ungeheuer groß; ſo kennen wir manche (allerdings in verſchiedenen Formen oder Varietäten) aus dem größten Teil der europäiſchen, ſibiriſhen und nordamerikaniſchen ſüßen Gewäſſer, zugleih aber au< von Vorderindien (Bombay) und Auſtralien.

Beſonders reih an Süßwaſſerſhwämmen ſcheint Nordamerika und das Flußgebiet des Amazonenſtromes zu ſein. Doch kommen ſie auh, wenigſtens was die Zahl der Fndividuen, wenn auh niht der Arten und Varietäten, angeht, in manchen Gewäſſern Europas, beſonders Norddeutſchlands, in erſtaunlicher Menge und von bemerkenswerter Größe vor. Jn dem See von Manindjau auf Sumatra überzieht eine Art, wie Max Weber berichtet, „an manchen Stellen mit ſteinigem Ufer zahlreiche Steine, Stücke Holz 2c. mit einem di>en Polſter, und zwar in ſolcher Maſſe, daß die Haut des an ſolchen Stellen Badenden dur die zahlreih aufgewirbelten Nadeln empfindlih gereizt wurde“.

Die äußere Geſtalt iſt na< Arten und Jndividuen außerordentlich ſ{hwankend. Sie fommen vor als flache Polſter, aus denen ſi die einzelnen Mundöffnungen (Schornſteine) auf Kegeln kraterartig erheben, als knollige Maſſen von mannigfachſter Form, bisweilen mit verlängert emporſtehenden Nadelkomplexen ganz vom Habitus eines Jgels, als zierliche Bäumchen 2c. Manche ſind ſehr lo>er und im tro>enen Zuſtande leiht zerreiblih, andere feſt wie Stein und wohl zerbre<hbar, aber nicht zerreiblih. Sie finden ſih auf allen möglichen Gegenſtänden im Waſſer: auf Steinen, lebenden und toten Pflanzenteilen, beſonders gern an alten Pfählen und Planken. Ein jedes Waſſer, das genügende Nahrung bietet, iſt ihnen re<t. Sie finden ſih in den trüben Waldtümpeln der Umgegend Leipzigs und im toſenden Gebirgsbach, ja in den Stromſchnellen des Kongo, ſie bewohnen den Baikalſee und ſind in die öſtlichſten Teile der Oſtſee in das Meer zurü>gewandert. Zurü>gewandert — denn wir müſſen annehmen, daß die Süßwaſſerſhwämme von Arten des Meeres abſtammen, welche ihrer Zeit in das ſüße Waſſer eingewandert ſind. Wahrſcheinlih waren das die Renieren genannten Seeſchwämme, mit denen die Potamoſpongien in ihrem gröberen und feineren Bau große Ähnlichkeit haben, und die, als die ſ{hmiegſamſten aller Spongien, au< im Brackwaſſer, ſelbſt in dem faſt ſüßen Waſſer der Kanäle innerhalb der Stadt Venedig, gedeihen.

Die Farbe der Süßwaſſerſhwämme iſ {<hmutßig weiß, gelblihgrau bis grün, manche Formen (aus dem Amazonenſtrom) erſcheinen im getro>neten Zuſtande faſt hwarz. Den Nadeln des Skeletts liegt die Spindelform zu Grunde, dieſelbe kann aber auf das Mannigfa<hſte modifiziert ſein: geſtre>t mit ſcharfen Spißen, wurſtförmig gedrungen mit ſtumpfen Enden, gerade oder in verſchiedenem Umfange, bisweilen mehrmals gekrümmt. Daneben finden ſih nicht ſelten no< allerlei, beſonders dur<h Verwachſungen verſchiedener Nadeln in der Jugend hervorgerufene Mißbildungen. Die Oberfläche dieſer Kieſelkörper iſt entweder glatt oder in verſhiedenem Grade warzig oder dornig, und zwar leßbteres in der Regel um ſo mehr, je gedrungener die Geſtalt der Nadeln iſt.

Die Fortpflanzung der Süßwaſſerſhwämme iſ eine doppelte, eine geſ<le<tlihe und eine ungeſhle<tlihe. Beide Arten der Entwi>kelung ſind wiederholt und au<h in neuerer Zeit unterſu<ht worden, zuerſt aber 1856 von Lieberkühn, damals in Berlin. Er