Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

amie brei rae m e

Mauer- und Kelleraſſel. Nollaſſeln. Gemeine Waſſeraſſel. 59

Sehr merkwürdig ſind die Verhältniſſe der Fortpflanzung der Landaſſeln. Die weiblichen Geſhlecht8werkzeuge beſtehen aus Geſchlechtsöffnung, Behälter zur Aufnahme und Bewahrung des männlichen Zeugungsſtoffes, Eileiter und Eierſto>, die vor und während der Brunſtzeit ſämtlich paarig entwickelt ſind. Die ſehr kleinen Geſchlehtsöffnungen liegen auf der Bauchſeite in der Schiene des fünften Bruſtſegments und führen in eine in den Eileiter eingeſchobene, blind endigende Einſtülpung der äußeren Chitinbekleidung, eben dem Samenbehälter, welcher alſo den Eingang zum Eileiter gegen die Außenwelt abſchließt. Bei der Begattung wälzt das Männchen das Weibchen auf den Nü>ken und die Tiere ſind mit ihren Unterſeiten einander zugewendet. Der Zeugungsſtoff bleibt geraume Zeit in dem Samenbehälter des Weibchens, dann plagt dieſer an ſeinem oberen Ende, und das Sperma ſteigt in den Eileiter hinauf, kann aber zunächſt no< nicht in den Eierſto>ë zu den Eiern vordringen und ſammelt ſi daher vor deſſen geſchloſſenem Eingange in Geſtalt eines weißen Pfropfens. Endlich vermag es doch hinein zu gelangen, und ſobald das geſchehen iſt, häutet ſih das befruchtete Weibchen und erhält jeßt andere Organiſationsverhältniſſe. Die jederſeitige Geſchlehts- oder ſagen wir lieber die Begattungsöffnung iſt verſhwunden, und auh der chitinöſe Samenbehälter, in welchen ſie führte, iſt mit verloren gegangen, aber es hat ſih eine neue Geſhlehts- oder beſſer Geburtsöffnung gebildet in Geſtalt einer unpaaren Spalte in der Mitte der fünften Bauchſchiene. Durch die gelangen nun die befruchteten Eier in die Bruthöhle, welche ſih bei der Häutung auh mit gebildet hat, denn bei dieſer erſt treten die blattförmigen Anhänge der Bruſtfüße auf. Fn dieſem Raume durchlaufen die Eier ihre Entwi>kelung bis zur Selbſtändigkeit. Hiermit iſt aber die Sache noh nicht abgeſ<loſſen. Jn dem jezt geleerten Eierſto> iſt nämlih no< Sperma zurü>geblieben, da es in überflüſſig großer Maſſe produziert war; dieſes tritt aus dem Eierſto® wieder zurü> in den oberſten Eileiter. Während die zuerſt abgelegten Eier im Brutraum ſih entwi>eln, bilden ſih gewiſſe Zellen der Auskleidung des Eierſto>es zu neuen Eiern um, und ſobald die jungen Aſſeln die Bruthöhle verlaſſen haben, ſind jene reif, der Same dringt abermals zu ihnen hinein, und die Sache verläuft weiter wie das erſte Mal. Nachdem auh der zweite Eierſaß die Jungen geliefert hat, tritt Shwund der Brutplatten ein; das Weibhen häutet fi<h abermals, erſcheint dann aber wieder in der Geſtalt, welche es vor der Begattung hatte, alſo in gewiſſermaßen jungfräulihem Zuſtande. Jutereſſant iſt es, daß unbegattete Weibchen ſih niht häuten, und daß bei ſolhen, welche dur<h Zufall bloß einſeitig befruchtet wurden, die Häutung zwar eintritt, an der Seite aber, an welcher die Begattung niht vollzogen wurde, die Beinanhänge, welche den Brutraum zu bilden haben, in nur verkrüppeltem Zuſtande auſtreten.

Von den Landaſſeln unterſcheiden ſih die Waſſeraſſeln (A selli dae) dur den geſtre>teren Körper und Verkürzung der Ringe des Hinterleibes, mit Ausnahme des großen ſchildförmigen leßten. Ja, bei der gemeinen Waſſeraſſel (A sellus agquaticus) beſteht der ganze Hinterleib aus einem einzigen großen ſchildförmigen Segment. Das 13 mm lange Tier findet ſi<h überall in Teichen und Gräben der verſchiedenſten Tiefen, und da fann es häufig vorkommen, daß dieſe im Sommer austro>nen. Deshalb gehen aber die Aſſeln no< lange niht zu Grunde wie die meiſten ihrer Mitbewohner. Sobald ſie nämlih gewahr werden, daß das Waſſer völlig verdunſten wird, graben ſie ſi<h möglichſt tief in den Schlamm ein und warten hier, in eine Art Sommerſchlaf verfallend, bis neuer Regen ihnen die frühere Exiſtenz wieder ermöglicht.

Da die Waſſeraſſeln alle niht zu {nell fließenden Gewäſſer bewohnen, ſo finden ſie ſih auch in unterirdiſchen und in tiefen Seen, in beiden büßen ſie aber ihre Augen ein.