Das Autoritäts = Prinzip und die Revolution von 1789
Die Revolution. 33
‘die Lampe des Kommiſſairs fla>erte in den Kellern umher und warf ihr Licht auf die bleichen Geſichter der Todten, während ‘die Altarſplitter aufgehäuft wurden, „wie unförmliche Steine in einem Steinbruch“. Die Vorſizenden der revolutionären “Aus\chüſſe trugen Sammethoſen, die aus Biſchoſ8mänteln geſchnitten, und Hemden, die aus Meßgewändern der Chorknaben verfertigt waren. Merkwürdig genug, treten plöglih einige ‘wenige atheiſtiſche Schwärmer auf (Anacharſis Clooß von deutſcher Herkunft, Chaumette, Hébert) und reißen die ganze Menge zur Kirchenſtürmerei mit fort. Merkwürdig genug, ſage ih, weil man im Ganzen während der Revolution eben ſo wenig Etwas von Atheismus, wie von Socialismus hört. Jm Allgemeinen Findet man bei den revolutionären Abgeordneten in ſtereotyp Fich wiederholenden Wendungen Voltaire's und Rouſſeau's ge=meinſame Religion : den Glauben an Gott und Unſterblichkeit. So auch in allen Schriften der Zeitgenoſſen. Thomas Payne's „Zeitalter der Vernunft“ iſ ein gutes Beiſpiel davon. Selbſt ein ſo rüſichtslos frivoles Gedicht wie Parny's „Götterkrieg“ predigt dieſelbe Lehre. Camille Desmoulins ſchreibt in einem Briefe: „Mein lieber Manuel ! Die Könige ſind reif (mürs), aber der gute Gott (le bon Dieu) iſt es no< niht. Beachte, daß ich der gute Gott, nicht Gott ſage, welcher ganz verſchieden von Jenem iſt“. Dieſer Standpunkt iſ der Standpunkt der Zeit ; ihre Aufgabe war nicht, den Gottesbegriff einer Kritik zu unterwerfen, ſondern ihn von den Legenden der poſitiven Religionen zu befreien. Daher kommt es, daß das Auſtreten der Atheiſten in der Nationalverſammlung die revolutionäre Bewegung über ihr eigentliches Ziel hinausführt und Ausſchreitungen veranlaßt, welche der Revolution ſhaden und fie in den Augen der Zeitgenoſſen herabſegen mußten. Um den Katholicismus auf recht nachdrükliche Weiſe zu treffen, veranlaßte Clooßg einen Biſchof, Namens Gobel, in einem Briefe an den Konvent eine Erklärung abzugeben, welche mit den Worten begann: „Bürger, Repräſentanten! ih bin ein Prieſter, d. h. ein Charlatan. Bisher war ih ein ehrlicher Charlatan, ih habe nur betrogen, weil ih ſelber betrogen war“ u. \. w. Dieſelbe endete natürlich damit, daß er ſich jezt zur Philoſophie bekehrt habe. Chaumette
Brandes, Hauptſtrömungen. TIL, 3