Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

eine Schändung und Vernichtung der Freundschaft und Kindschaft. Die prima und secunda gratia ist nicht im eigentlichen Sinn Gnade mehr, sondern notwendige Gabe Gottes. Das Gabeverhältnis wird aber wiederum überwunden durch den Gedanken der wesenhaften Immanenz Gottes in der Seele: ein rechter Mensch braucht Gott nicht, denn er hat ihn wesenhaft in sich! (Pf. 55: 178, 29). Er hat damit auch die Fülle der Gnade wesenhaft in sich, ohne sie von Gott empfangen zu brauchen. Damit ist Gottes Gnade dem Idı gegenüber belanglos geworden. Dazu möchte ich eine Variante zu Pf. 13: 64,28 anführen, die, wenn sie auch als Interpolation sich erweisen sollte, dennoch die Stellung Eckharts zu diesem Problem treffen dürfte: „waz hilft mich allez daz Kristus hat von natur und verdienter gaebi jnen der gnaden wan er hett gnad an masse den andern gnad ze geben, warentichgaebnitvildar umb (Bra. 5). Obwohl der Text nicht recht klar ist, so dürfte doch der Gedanke deutlich sein: Was hilft mir das Vorrecht Christi! Ich selber muß eingeborener Sohn werden können, der die Fülle der Gnade selber in sich trägt. (cf. den Predigtzusammenhang.)

7.SündeundStrafe.

Die Grundtatsache der Korrelation Gott — Ich ist die Wesensgleichheit bei polarer Distanz, unter dem Gesichtspunkt eines affektiven Verhältnisses gesehen die Korrelation von Vater und Sohn, die durch den Geist, die heilige Gottesliebe mit einander verbunden sind. Damit ist gegenüber der Scholastik das religiöse Urverhältnis Gott — Ich auf eine grundsätzlich neue Basis gestellt. Die konstitutiven Begriffe der Korrelation waren in der scholastischen Theologie für das Ic: die Erbsünde, die Gnade, die Strafe. Die Gnade ist der Ausdruck der Liebe Gottes zum Geschöpf. Eckharts Begriff der korrelativen Immanenz hebt diese Begriffe teils auf oder gibt ihnen, sofern sie notwendig bleiben, eine grundsätzlich andere systematische Stellung. Wir sahen, wie der Gnadenbegriff teils ignoriert, teils umgedeutet wird. Ebenso verschwindet auch der Begriff der Erbsünde, der für Eckharts Theologie geradezu einen inneren Widerspruch bedeutet, da das Ich als der von der Erbsünde freie Sohn Gottes bestimmt wird. Der Ansatzpunkt für die Überwindung der Erbsünde ist der Begriff der Menschheit, der Menschennatur. Thomas von Aquin lehrte, Christus nehme zwar Menschennatur an aus dem Geschlechte Adams, aber die von ihm empfangene Natur sei nicht durch Erbsünde belastet. Diese Auffassung beruht auf ontologisher Grundlage, die es ermöglicht, daß ein einzelner durch eine „individuell-

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