Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation
allgemeine“ Menschennatur aus der Zahl der anderen herausgehoben wird®). Dadurch, daß Eckhart an dieser Stelle den logischen Begriff der Teilhabe einführt und von der Einzigkeit der Bedeutung des Wesens „Menschennatur” ausgeht, an der alle Menschen teilhaben und also als Menschennaturen gleichsinnig ausgesagt werden, ist die Menschennatur Christi wesensidentisch gesetzt mit jeder anderen Menschennatur. Im Begriff der Menschennatur selbst vollzieht Eckhart ferner die Umdeutung, daß sie der Ursprung ist für den Menschen: also nichts Kreatürliches mehr, sondern das unkreatürlihe „Wesen“, kraft welches der Mensch nunmehr selbst Sohn und derselbe Christus ist‘”). Dadurch ist die Erbsünde unausgesprochen erledigt. Eckhart spricht es aber auch ausdrücklich aus, daß die Natur des Menschen nicht wesensmäßig verderbt. sondern gut sei”), und daß der status innocentiae nicht ein für immer verwirkter, einmal gewesener Glückseligkeitszustand ist, nicht ein einmaliges historisches factum brutum, sondern daß „Unschuld“ bedeutet die gesetzhafte Befassung der Sinnlihkeit unter die Vernunft, die in jedem Augenblick wieder erobert werden kann. Es zeigt sich hier wiederum an einem symptomatischen Fall die Ersetzung und Umwandlung eines Substanzbesriffs durch und in einen Gesetzesbegriff”).
Wie die Erbsünde völlig beseitigt wird, so erfährt auch der Sündenbegriff eine grundsätzliche Umdeutung, die sich in einer scheinbar belanglosen Auslassung einer scholastischen Distinktion bekundet. Der Heilige Thomas unterscheidet im Sündenbegriff das peccatum transgressionis und das peccatum omissionis. Das erstere ist aliquid positive, das letztere eine pura privatio®”). Eckhart macht diese Unterscheidung nicht und bestimmt die Sünde
#1) S. Th. III, 4, 6e u. ad 15.
2) Pf. 94: 506, 50 ff.
#3) Pf. 15: 75,27: Tuot der mensche guotiu were, die wile er in tötsünden ist, so entuot er dodı diu were üz tötsünden niht, wan disiu were sint guot, so sint diu tötsünden böse. Mer: er würket sie üz dem grunde sines geistes, der nätürlich in ime selber guotist...
Pf. 46: 155,17: ... wie wir treten sullen in unsern grunt rehter
diemüetikeit unde rehter blözheit, daz wir allez daz abe legen,
daz wir niht von natüre haben, dazistsünde und gebreste...
@) Trier Il Gen.55ra-b (eit Kod, Theol. u. Gl.): Hec fuit et est rectitudo hominis quando sensitivum obedit racioni inferiori
. et illa subheret et adheret racioni superiori et ipsa Deo ... Iste fuit et est status natureinstitute ante peccatum, statusinnocentie,
#5) De malo qll a. 1 (cit. Thery III 356 n. 2).
De malo qlla 2; a9 ad 2. (cit Thery III 379 n. 2).
23]