Die Französische Revolution

80 Drittes Kapitel.

Wie war denn überhaupt in dieſem Augenblicke die Situation am Hofe?

So lange Necker den König ganz auf ſeiner Seite hatte, war er in feiner Stellung ſicher und brauchte nichts zu befürchten: wollte er doch ſeinem Herrn eine ungeahnte Machtfülle verſchaffen, indem er durch den Tiers die Rolle der Privilegierten zu beſeitigen plante; dabei mußte er einen offenen Bruch zwiſchen Fürſt und Volk vorläufig vermeiden. Im ganzen doh eine Aufgabe, die ziemlih unausführbar war! Wie wir wiſſen, ſtand nun Necker eine große Partei gegenüber, die Partei, deren Haupt der Graf Artois war, der ſich vergangenen Monat die Königin angeſchloſſen hatte und zu der ſih noh in dieſem der Graf von der Provence !) — vielleicht veranlaßt durch das weitere Umſichgreifen der Unruhen — geſellte. Wenn man von einer Partei ſpricht, fo pflegen zuerſt ihre Ziele in den Kreis der Erörterung gezogen zu werden. Aber Ziele haben ſonſt nur Leute, die in Bewegung ſind und vorwärts wollen. Den Herren, welche den königlichen Prinzen Rückhalt gaben, lag, wie uns bekannt iſt, an Neuerungen gar nichts: wie ihre Stammſißze nicht mehr Mittelpunkte waren des geiſtigen und wirtſchaftlichen Lebens, die Mauern ihrer Burgen von dem romantiſchen Efeu längſt vergangener Zeiten ?) umklammert wurden, wie dem Beſucher ihrer Schlöſſer die Sticklufſt des Mittelalters entgegenwehte, ſo wurde das Eindringen des „ſchneidenden Luftzugs der neueren Ge ſchichte“ auh in ihre politiſche Auffaſſung zur Unmöglichkeit. Dieſe Herren wünſchten ſih überdies weiter aus den Staatsgeldern rieſige Einkünfte zu ſichern und — zu verpraſſen. Pflichtbewußtſein und ernſte Vaterlandsliebe waren ihnen längſt entſ<hwundene Begriffe; denn indem ſie ihre im Mittelalter verbrieſten, durh die Rückſicht auf den Staat hinfällig gewordener Geſeße verteidigten, vergaßen fie ganz das Gemeinwohl. Ja, ſie verſtanden es, die Furcht der Krone vor dem Bürgerſtand, wo doch der Groll desſelben ihnen galt, zu erhöhen und ſie zu einem Bündnis zu veranlaſſen. Wir erhalten hier ein Bild von dieſen Magnaten, wie es ſih au<h anderweitig — etwa in Spanien, aber auh ſonſt — findet. Aber wehe dem Staate, wo ihren Anſprüchen dauernde Berechtigung zuerkannt wurde! Mit Verluſt ſeiner Macht mußte er büßen. Dagegen einen ſeltenen Aufſhwung

1) Na< Mercy kann ex niht lange vor dem 10. Mai dieſen Frontwechſel vorgenommen haben.

2) Siehe z. B. die oben aufgeführte Denkſchrift Barentins.