Die Französische Revolution

86 Drittes Kapitel.

Was war jetzt zu tun, da die Sachlage eine andere geworden war?

Es ſah ſich die Regierung gezwungen, endlich ihr Verhältnis zu Frankreich klarzuſtellen. Sich für den Tiers zu entſcheiden, empfahl die Rückſicht auf das Kapital "). Sich an den Adel anzuſchließen, empfahl dem Finanzminiſter die Rücfſicht auf ſein eigenes Miniſterportefeuille; denn die Hofpartei hatte die Erklärung als Nationalverſammlung als eine Folge von Necters politiſchem Ungeſchick erklärt; aber dieſer An{hluß hieß nichts anderes als Außerachtlaſſung der Wünſche des Tiers, und nicht bloß das: der Rückweg zu einer mittelalterlichen Staatsverfaſſung wurde dadurch wieder eröffnet. Jedoch es beſtand noch eine dritte Möglichkeit: wie war es, wenn beide Klaſſen für die Zwecke des Königtums benugzt und dieſem dadurch eine unumſchränktere Stellung verſchafſt würde ?

Zunächſt hing viel von Necker ab.

Kaum war die Kunde von jener Erklärung an ſein Ohr gedrungen, als in ihm die Hoffnung wah wurde, jeht ſelber die Grundzüge der neuen Verfaſſung feſtzuſtellen ?) und durch eine Séance royale, eine Königliche Sißung, den Schaden wett zu machen. Eine Séance royale, die eine Erklärung der Abſichten des Herrſchers bedeutete, gegen die es keinen Widerſpruch gab, hielt man von nöten! ſo ſehr verkannte alſo auch jezt Ne>er die Stimmung der Franzoſen, daß ihm ein ſolches Mittel des alten Königtums einen Ausweg aus dem gefahrvollen Labyrinth all der Wirren darzubieten hien. An die Ausarbeitung dieſer Kundgebung — Eile war ja nötig — hat er ſich alsbald gemacht und den ihm befreundeten Kollegen davon Kenntnis gegeben ?®).

Daß nun ſchon am Donnerstag, den 18. Juni, ein Konſeil \ſtattgeſunden hätte, davon wiſſen unſere urkundlichen Quellen nichts; ſicher wird aber an dieſem Tage eine Vorbeſprechung “) ſtattgefunden haben, wo Neckers Vorſchlag die Zuſtimmung des Königs erlangte.

1) Aus den Briefen Montmorins und St. Prieſts (mitgeteilt von Flammer-=mont iu der Revue historique, Bd. XLVI, S. 63—67) i im einzelnen zu erſehen, wie ſehr man des Tiers benötigte: etwa für die Wiederbelebung des Kredits, die Beſchaffung von Geld und die Abſtellung der Teuerung.

2) So St. Prieſt (Barante a. a. O. S. 96).

3) Ne>er, de la Révolution française, Bd. I, S. 266; Barante a. a. O. S. 96. Dieſer ſagt ſogar ausdrü>li<, daß St. Prieſt auf der Fahrt na< Marly am 19. in den Plan eingeweiht worden ſei. Schon aus inneren Gründen ſind ſolche Beſprehungen wahrſcheinlich.

4) Ne>ers8 „Comité chez le roi“, Barentin leugnet die Exiſtenz einer