Die Geſchichte des Weltkrieges 1914/17.

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330 Jlluſtrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/17.

Mir war es vorhin ſo, als ob der Mann doh etwas er-

regt wurde, als wir uns da umſahen. Wer weiß, ob wir

dort niht doh no< etwas entde>en !“ :

„Wie Sie meinen — alſo vorwärts, Leute — no ein-

mal nah hinten!“ - |

Sie gingen in den dunflen kleinen Raum hinter den Laden, wo in ziemlihem Wirrwarr allerlei Patereien, leere Kiſten und Gerümpel durcheinander lagen. Noch einmal machten ſi< die Leute daran, alles zu dur<ſtöbern. Mit ſteigender Spannung ſah ihnen der Kriegsgerichtsrat zu. Ja, ex löſte den Degen vom Gehänge und ſtieß damit hier Und da eigenhändig in die Pa>en hinein. So kam ex au< zu einer offenen, großen Kiſte. „Haben Sie hiex ſhon na<hgeſehen?“ wandte er ſi<h zurü> zu den Leuten, die gerade anderswo mit Suchen beſchäftigt waren. E

Jawohl, Herr Kriegsgerihtsrat,“ fam die Antwort —

„aber ni<hts Verdälhtiges — nux lauter Holzwolle und nihts |

Drinnen.“ :

Mechaniſch ſtieß der Rat indeſſen doh auch hier mit dem

Degen hinein. Dabei bemerkte ex dur< Zufall, wie es in dem Antliß des Ladenbeſißers aufzu>te, und nun au< eine SS der Hand, als wolle ſie ihm hindernd in den Arm allen. _ Sofort fla>erte der Verdacht hell in ihm auf. „Kommen Sie do< mal her! Räumen Sie mix dieſe Kiſte gründlih aus — bis zur leßten Ete!“

Kapitänleutnant d. N. Proelß. Die Führer des deutſhen Luſtſchiffgeſ<waders, das in der Naht vom 24. zum 25, September 1917 befeſtigte Pläße der engliſhen Küſte erfolgreih angriff.

Kapitänleutnant Ehrlich.

Er faßte den Buchbinder bei dieſem Befehl ſ{harf ins

Auge, und wirkli: der Mann verfärbte ſih. - e

Mit höchſter Spannung beugte er ſih daher über die Kiſte, wo die Soldaten mit ſ<hnellen Griffen den Jnhalt, die Holzwolle, ausleerten. Und richtig — wie ſie jeßt ganz auf den tiefen Grund der Kiſte kamen, ſtieß der eine von ihnen einen Ruf der Überraſhung’aus.

„Hier liegt etwas Hartes!“ Und einen Augenbli> ſpäter fam zwiſchen der Holzwolle ein Aktended>el, eine Mappe, zum O die der Mann nun dem Kriegsgerihtsrat hinreihte. : Schnell klappte dieſer ſie auf und ſah: Schriftſtücke, eine

Liſte, Namen, Adreſſen — lauter männliche Perſonen und

Ortsnamen aus der Gegend, und dahinter Jahreszahlen. Da ſchlug der Kriegsgerihtsrat erregt auf die Blätter in ſeiner Hand, während er einen bedeutſamen Bli> zu dem Adjutanten hinwarf. E : ___yDa haben wirs! Eine Auſſtellung der wehrpflihtigen jungen Leute aus der Stadt und Nachbarſchaft — hier ſehen Sie — all die Jahrgänge von 1870 bis 1897.“ —

Der Adjutant bli>te hin.

„In der Tat — das iſt ja intereſſant! Abex zu welhem Zwe> dies alles?“

„Das iſt doh ſonnenklar! Offenbar zu dem Zwe>, um

den Leuten behilflih zu ſein, über die Grenze nah Belgien zu entfommen und von dort weiter zum Heex des Verbands. -

Beſinnen Sie ſih doh auf die Meldung, die wir kürzlih vom Generalgouvernement gus Brüſſel bekamen, von der Ent= De>ung einer weitverzweigten Organiſalion zur heimlichen Beförderung von Dienſtpflihligen na< Holland und von

dort weiter zux feindlihen Armee! Wir haben es hier ohne Zweifel mit einem Zweig dieſer Organiſation zu tun, die die gleihen Ziele für die nordfranzöſiſhen. Landesteile anſtrebt. Es war ja au< in der Bekanntmahung des Generalgouvernements Brüſſel damals die Rede davon, daß die Ver=zweigung dieſer geheimen Verbindung auch auf das bena<-

barte Frankreih übergreiſe.“

„Da hätten wir ja wirkli eine äußerſt wihtige Entde>ung gema<ht.“ „Das will i< meinen! Es wird jeßt nur darauf an=

_Tommen, den Beweis zu erbringen. Vorderhand iſt alles “eben nux Vermutung, ein Verdacht, wenn freilih au<

wohl begründet. Nun, vielleiht gibt die genaue Dur<hſicht dieſer Akten uns no< mehr an die Hand. Laſſen Sie mix alſo do< den Fund hier glei<h auf mein Dienſtzimmer ſchaffen, und dex Mann da —“ ex deutete zu dem Ladenbeſizer hin — „iſt natürli abzuführen, in ſicheres Gewahrſam.“ e

Es geſhah na< den Anordnungen des Kriegsgerihtsrats. Bis in die Nat hinein ſaß er no< übex den gefundenen Papieren, und ſein Verdacht verſtärkte ſih dabei aufs dringliſte. Nur leider — no< immer kein eigentliher Beweis! Es kam alſo alles darauf an, dieſen zu liefern.“ Als einziges Mittel dazu blieb nur das eine: all die verdächtigen

- Beſucher des Ladens, die er auf ſeiner Liſte ſtehen hatte,

unerwartet in Haſt zu nehmen und dur< Einzelverhöre wie

Phot. A. Elnain, Wiesbaden.

Kapitänleutnant Stabberé. Hauptmann Manger.

Hausſuchungen bei ihnen vielleicht die belaſtenden Untex= lagen zu ‘entde>n. | -

Er ging alſo wieder zux Kommandantux und erwirkte no in der Naht die Verhaſtungsbefehle, denen ſofort Folge gegeben wurde.

Je zwei Mann rü>ten unverzüglih von der Wache ab, um die bezei<hneten Perſonen in Haſt zu nehmen und ſie alsbald zur Kommandantur zu führen, wo Dens-

“hardt anweſend blieb, um auf der Stelle no< zum Ver=

hör \<hreiten zu können. : =

Auch das Dupontſche Haus wurde ſo unſanft aus ſeiner Nachtruhe aufgeſtört. Es wax ein ſ<hre>haſtes Erwachen für die Frauen, die zuſammen ſchliefen: der Vater lag oben im Manſardenſto>werk, in dex kleinen Stube neben ſeinem Laboratorium, ſeitdem die Einquartierung hier im Hauſe war. Jrene warf ſih ein leihtes Morgengewand über und eilte zur Haustür. Sie öfſnete, und ſofort drängten ſih zwei Soldaten in den Hausflur, mit der Frage na< ihrem Vater. : : :

„Mein Vater? Was wollen Sie von ihm?

„Führen Sie uns ſofort zu ihm!“ :

„Ja, aber weshalb denn nur? Was hat denn mein Vater getan?“ | E -

Die Angſt des Mädchens erregte Mitleid bei dem Führer

‘der Patrouille, einem Gefreiten, der etwas Franzöſiſch

ſprah. So ſagte ex ihr denn nun in freundliherem Ton: „Wir bedauern ſehr, Mademoiſelle, aber wir müſſen Jhren Vater ſofort zur Kommandantur bringen.“ „Zur Kommandantur !“ Der Schre>en zitterte aus ihrer Stimme. „Was hat man vor mit ihm? :