Die Physiognomie des Menschen

denen ja der Haarwuchs erzeugt wird. Nach anderen bedeutenden Autoren dienen die Haare auch noc als Schmuck. Ambrosius schreibt: Das Haupthaar ist achtbar bei den Greisen, ehrbar bei den Priestern, schrecklich bei den Kriegern, schön bei den Jünglingen, nett bei den Frauen und reizend bei den Kindern. Nimm einem Baum die Blätter, so ist er unschön, einem Menschen die Haare, so verblaßt seine ganze Schönheit. Wir wollen die Art der Entstehung der Haare betrachten, um desto leichter den entsprechenden Charakter beurteilen zu können. Galen sagt im zweiten Buch der „Temperamente“, sie beständen nur aus einer Art feuchten, rauchenden, zähen Dampfes. Averroes’‘) meint, sie würden von einer derartigen Masse gebildet. Aber wenn dem so wäre, würden sie nicht so nachgiebig und biegsam sein. In Wirklichkeit entstehen sie durch die Kälte, sowohl die innere der Kopfhaut und Schädelknochen als auch die äußere der umgebenden Luft; diese Kälte läßt die aus dem Inneren aufsteigenden und in den Poren und Öffnungen der Haut steckenbleibenden Dämpfe erstarren. Nach anderer Meinung entstehen die Haare aus der Haut und ihrer Feuchtigkeit. Sowohl zarte und dünne als auch zähe und dicke Haut kann Haare hervorbringen. Weder die Ärzte noch die Physiognomiker können des Menschen Temperament oder Charakter aus der Beschaffenheit der Haare allein deuten. Polemon und Adamantius sagen, aus den Merkmalen der Haare könne man keineswegs den Charakter erkennen, weil sie bei den verschiedenen Menschenrassen, die sich an verschiedenen Orten gemischt hätten, kaum rein nachgewiesen werden könnten. Averroes meint, man könne es nur bei den Menschen, die in mittlerem Klima leben, worauf wir noch näher eingehen werden. Besonders ist auf die Beschaffenheit, Größe, Menge und Farbe der Haare zu achten, wie Aristoteles solche Unterschiede in seinem Buche „Von der Erschaffung der Tiere“ aufgezeichnet hat.

80