Die Physiognomie des Menschen

Alcibiades aus seiner Gestalt und aus seinen ebenmäßigen, harmonischen Körperproportionen die höchste Stelle im Staat prophezeit. Plutarch erzählt auch, nach dem Brauch der Spartaner habe ein Vater kein Recht gehabt, sein Neugeborenes zu erziehen,sondern erhabe esvordiehöchstgeborenen Gaugenossen bringen müssen, die ein schön und kräftig gestaltetes Kind großziehen, ein schlaffes und mißbildetes aber an einer Stelle des wilden Taygeton aussetzen ließen, da ja das Leben dessen, der von Geburt wenig schön und wohlgestaltet und kräftig war, weder für ihn selbst, noch für den Staat von Nutzen sein werde. Die Natur habe den Lebewesen einen ihrem Charakter entsprechenden Körper gegeben, schreibt Plato und nach ihm Aristoteles‘). Wie nun jedes Werkzeug seinen Zweck hat und auch die einzelnen Körperteile aus irgend einem Grund entstanden sind, und wie der Zweck, wozu etwas entsteht, eine bestimmte Tätigkeit ist, so ist auch die Einheit unseres Körpers zum Zweck einer höheren Tätigkeit zusammengebildet: denn nicht des Messers wegen ist der Schnitt, sondern des Schnittes wegen ist das Messer erfunden worden. Also ist der Körper der Seele wegen gebaut, und seine einzelnen Teile der Werke und Aufgaben wegen, für die sie die Natur gebildet hat. In diesem Sinne zeigte auch Galen’) in seinem Buch über den Zweck der einzelnen Körperteile, daß alle Gliedmaßen der Seele dienten, deren Werkzeug ja der Körper sei, und da die Seelen sehr verschieden seien, müßten auch die entsprechenden Tiere sehr unterschiedlich sein. Der Theologe und Philosoph Lactantius Firmianus geht in seinem Buche „Von den Werken Gottes“ denselben Gedankengang. Bei Homer schließt Nestor aus der auffallenden Gesichtsähnlichkeit Telemachs auf die Seele: .. . .. Bester Knabe, Nachfahr eines solchen Mannes! Staunen hält mich ganz gefangen, wenn ich deine klaren Augen sehe und den Mund, das Ebenbild des Vaters. Wie, und auch die Sprache ist die seine? Wel-

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