Die Physiognomie des Menschen

sehr tüchtige Männer, angreift und ihre Schriften gehaltlos und vorschnell geschrieben nennt. Da die Ansichten der oben Erwähnten so sehr von der Wahrheit abirren und sich nur auf Worte und leere Meinungen stützen, halte ich es für überflüssig, sie zu widerlegen.

4. Kapitel: Wie unsere Meister die Physiognomik gesehen und überliefert haben.

Wenden wir uns den Pionieren unserer Wissenschaft und ihren Methoden zu. Zunächst glaubte man, aus der Zusammensetzung der Körperbestandteile auf den Charakter schließen zu können. Es war eine feststehende Ansicht der alten Gelehrten, daß der Charakter sich nach der Körpermischung‘) richte, und zwar nicht nur nach der angeborenen, sondern auch nach der durch Zeit und Nahrung oder sonstwie veränderten. Empedokles aus Agrigent) meinte, der Charakter sei an die Beschaffenheit der Körperelemente nicht nur gebunden, sondern die Seele bestehe in der Harmonie der Elemente. Als Beweis dafür führt er an, daß jeder Ausdrucksentfaltung ein bestimmter Körperzustand entspreche, z. B. sei der Zorn das Wallen des Herzblutes, die Sanftmut dessen ruhiges Fließen, die Kühnheit treibe das Blut unter die Haut und die Furcht ziehe es zum Herzen zurück. Plato äußert im Timäus, die Seele leide an der Körperverfassung, scharfer Schleim und flüssige Galle liefen durch den Körper, und wohin sie auch ihr Feuer brächten, immer wirkten sie auf die Seele ein und benachteiligten den Geist in verschiedener Weise (so entständen Verwegenheit, Furchtsamkeit, Vergeßlichkeit und Stumpfheit, und Torheit und Rohheit der Seele hätten in der verderblichen Einwirkung des Körpers ihren Grund), und die Menschen seien um so klüger, je weniger ihr Leib mit Säften beladen sei. Aristoteles berich-

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