Die Physiognomie des Menschen

indem man die Erscheinungen studierte, die ein bestimmter Charakter am menschlichen Körper ausprägte. Hinter den Gewohnheiten eines jeden stehe der ihnen angemessene Charakter, z. B. sei sinnlich, wer die Augen dauernd nach oben drehe, weil beim Liebesakt die Augen nach oben verdreht würden. Blasse Farbe deute auf Furcht, weil die Furchtsamen erblassen. Wer wild vor sich hinstiere, sei zornig, weil die Zornigen diesen Ausdruck zeigen. Und so verwertete man jeden Charakterzug. 5. Kapitel: Wie man aus der Komplexion des Organismus auf die Charakterart schließen kann.

Es scheint nicht unangebracht, hier über das Verhältnis von Körpermischung und Charakter zu berichten, wobei wir auf die Erfahrungen der Ärzte besonderen Wert legen wollen. Als Kennzeichen einer überwiegend hitzigen Mischung erwähnt Galen folgende: Heiß und rauh anzufühlende Haut, geringes Fettpolster, rote Farbe, schwarze Haare. Andere tragen noch nach: Schneller Wuchs, sichtbare Adern, lauter Atem, wilde, laute Stimme, leichtes Schwitzen, guter Appetit und gute Verdauung, dichte, lockige Haare, üppige Natur. Zeichen einer kühlen Mischung sind: Dürftiger Haarwuchs, Fettpolster, kalte Haut, rötliche, oder — bei großer Frostigkeit — bleiche, fahle Haut- und Haarfarbe. Andere fügen noch an: Langsamer Wuchs, leiser, spärlicher Atem, feine, scharfe Stimme, geschlechtliche Schwäche, mäßiger Appetit, schlechte Verdauung, langes, glattes, feines Haar, weiße Farbe, seltenes Schwitzen, scheue und schwächliche Natur. Eine überwiegend feuchte Mischung des Körpers hat folgende Merkmale: Weiche, glatte, fleischige Leiber, runde Gelenke, Glatzen, tränende Augen, gelbe Haarfarbe, schwächliche, gutmütige, furchtsame und üppige

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