Die Physiognomie des Menschen

ihr da ist, wird der Mensch unbeständig und vergeßlich;: wenn zu viel da ist, belästigt sie die Verdauung. Sie soll ziemlich dünn und in richtiger Menge vorhanden sein und zu der gelben Galle im richtigen Verhältnis stehen, auch darf die schleimige Flüssigkeit nicht fehlen, auf daß aus allen dreien die richtige Mischung entstehe, die acht Teile Blut und je zwei Teile gelbe und schwarze Galle enthält. Die schwarze Galle soll sich entzünden, aber nicht verbrennen, sondern entzündet glühen. Aristoteles sagt in seinen „Problemen“, alle Menschen, die durch ihre Geistesschärfe oder Philosophie oder Amtsführung oder Dichtungen oder andere Künste berühmt wären, seien schwarzgallig gewesen, und viele von ihnen hätten an den Krankheiten gelitten, die von der schwarzen Galle kommen, z. B. Herkules, der fallsüchtig war. Lysander aus Lakedämon bekam vor seinem Tode viele Geschwüre, wie sie durch die schwarze Galle entstehen. Ajax verlor den Verstand, Bellerophon ging in die Wildnis und Einöde, wovon Homer also singt: „Bellerophon irrt‘ umher und scheute den Anblick der Menschen. Einsam auf weitem Feld verlor er so ganz den Verstand, daß er mit wildem Grimme versehrte sein eigenes Herz.“ Wir wissen, daß außer den meisten Helden der Vorzeit auch Empedokles, Sokrates, Plato und andere vortreffliche Männer und auch sehr viele Dichter solche Leiden gehabt haben, z. B. Eurilochus, der im übrigen wie alle anderen Schwarzgalligen sehr scharfsinnig war. Phavorinus nennt daher diese Krankheiten „Heldengebresten“; sie können ebenso bei warmen wie bei kalten Körpermischungen vorkommen. Die schwarze Galle selbst kann sehr heiß und sehr kalt werden, doch ist sie für gewöhnlich keins von beiden, sondern ist von Natur mäßig kalt. Wird sie sehr kalt, macht sie den Menschen töricht, unverständig und verstockt oder ängstlich und furchtsam. Erhitzt sie sich, so entsteht Sorglosigkeit und Singlust bis zur Ver-

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