Die Physiognomie des Menschen

rücktheit, und viele Geschwüre brechen auf. Die Dummen und Feigen also haben viel kalte schwarze Galle, durch viel heiße Galle aber entsteht Erregung, Scharfsinn, Wollust, Neigung zu Zorn, Redseliskeit und Leidenschaftlichkeit; manche kommen ganz von Verstand und verfallen großer Trauer wie z. B. die Wahrsagerinnen und Schwärmenden und alle die, welche von einer besonderen göttlichen Kraft veranlaßt glauben, was doch nur durch eine Maßlosigkeit der Natur entsteht. Markus aus Syrakus dichtete am schönsten, wenn sich sein Geist verschleierte. Wer nicht gar so heiße Galle hat, ist viel klüger und vortrefflicher in den Wissenschaften, den Künsten und dem Staatsdienst. Solche Körpermischung läßt die Gefahren besser überwinden; manche zwar trauen sich wieder zuviel zu, wie Archelaus, der König von Mazedonien. Auf jeden Fall sind also die Schwarzgalligen sehr verschieden und ungleich, weil die Galle heiß und kalt sein kann, was von großem Einfluß auf den Charakter ist. Wenn nur ein Teil der Galle kälter oder heißer ist, so hat das zur Folge, daß der Mensch nicht durch Krankheit, sondern von Natur einen eigenen Geist hat. Galen lehrt: Die Mageren mit schwarzen, rauhen Haaren und breiten Adern speichern am stärksten schwarze Galle auf; manchmal verfallen auch rothaarige, seltener gelbhaarige Menschen der Schwarzgalligkeit, besonders wenn zu angestrengtem Wachen und vieler Arbeit noch Kummer und knappe Kost kommen.

9. Kapitel:

Widerlegung Platos; was man aus dem Körper der Tiere schließen kann.

Plato meinte, daß ein Mensch, dessen Körper dem Bilde eines Tieres gliche, auch den Charakter dieses Tieres haben müsse, was wir nicht ohne weiteres gelten lassen können. Kein Mensch gleicht

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