Die Physiognomie des Menschen

ganz und gar einemTiere; wo eineÄhnlichkeit vorhanden ist, gilt sie nur für einzelne Teile. Die Artmerkmale der Tiere und ihre Charaktereigenschaften sind teils dem jeweiligen Tier eigentümlich, teils sind sie allgemeiner Natur; die eigentümlichen kommen nur einer Tiergattung zu, z. B. den Hunden die Sucht, jedem an die Beine zu fahren, den Eseln die Unempfindlichkeit gegen Schmerzen; die allgemeinen sind bei allen oder doch den meisten anzutreffen, z. B. haben alle Tiere bis zu den Ameisen den Trieb, sich zu wehren, ferner den Ge- schlechtstrieb, der fast überall, besonders aber bei den Eseln und Schweinen zu finden ist. Und so entsprechen den eigentümlichen Trieben eigentümliche Merkmale, den allgemeinen allgemeine. Die allgemeinen Zeichen nützen dem Gelehrten nur sehr wenig oder überhaupt nichts, weil sie ja nur allgemeine Eigenschaften aufdecken, die Löwe, Hirsch und Wildschwein in gleicher Weise haben; und wenn man nach diesen gemeinen Merkmalen Vergleiche anstellen will, kann man jeden ebensogut mit einem Hirsch oder Wildschwein vergleichen wie mit einem Löwen. Also kämen nur die besonderen Kennzeichen in Betracht. Allein auch die bringen einen nicht weiter, denn sie eignen nur dem jeweiligen Träger und sind nur bei ihm zu finden und zeigen nur seine Anlagen; wenn man sie bei einem anderen Tier anträfe, wären sie keine eigentümlichen Zeichen mehr. Da es keine Eigenschaft gibt, die ein Tier allein hätte, das für die Physiognomik in Frage kommt, so wird es auch keine entsprechenden besonderen Zeichen geben. Der Löwe ist nicht allein tapfer, sondern auch der Stier und das Wildschwein, nicht nur der Hirsch ist furchtsam, sondern auch der Hase und die Katze, so daß, wer sich an die allgemeinen oder eigentümlichen Merkmale hält, sich. vergeblich anstrengt, zum Ziel zu kommen. Dagegen sollte man die Tiere vornehmen und genau ansehen, die eine gemeinsame Eigenschaft haben und bei ihnen die

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