Die Physiognomie des Menschen

ten Ländern findet man kleinere Körper mit dunkler Farbe, gewelltem Haupthaar, dunklen Augen, schwachen Schenkeln; sie haben infolge der großen Sonnenglut nur wenig Blut und sind daher im Kampf furchtsam, setzen aber mit ihrer hitzigen Seele ihre Anschläge schnell und behend in die Tat um. Die nördlichen Völker sind durch die dicke, kalte Luft ihres Himmels etwas tölpisch, wie auch die Schlangen in der Winterkälte erstarren, während sich in der Wärme die Erstarrung ihrer Säfte löst und schneller Beweglichkeit Platz macht. Die südlichen Völker sind also sehr scharfsinnig und unerreichlich in der Gewandtheit ihrer Anschläge, zugleich sehr ungestüm im Streit, auch wenn sie unterliegen, weil alle Kräfte ihrer Seele von der Sonnenglut entbrannt sind. Die Völker kalter Gegenden sind geschickter zum regelrechten Kampf und greifen alles furchtlos und kraftvoll an, ihr Geist aber ist langsamer, ungewandt rennen sie los und verwickeln sich in ihre eigenen Pläne. In mittleren, mäßig warmen und kalten Gegenden findet man eine entsprechende Ausgeglichenheit der Körper- und Seelenkräfte ihrer Bewohner, z. B. bei den Italienern, besonders den Römern, die zu ihrem ewigen Ruhm die Gewalt der Barbaren gebrochen und mit starker Hand die Anschläge der Südländer zunichte gemacht haben. Also ließ göttliche Weisheit die Stadt Rom in gemäßigtem Klima entstehen, damit sie die ganze Welt beherrsche. Neben diesen Ursachen legt Plinius noch besonderen Wert auf die direkten Einflüsse des Himmels: Zweifelsohne würden die Aethiopier, weil sie den Gestirnen zunächst wohnen, durch deren Ausstrahlungen gedörrt und verbrannt und bekämen so krause Bärte ‚und Haare. An der entgegengesetzten, kalten Seite der Welt wohnten Menschen mit blasser Hautfarbe und blonden Haaren, die durch die Kälte ihres Himmels eckige Bewegungen bekämen. Jener Körpersäfte stiegen wie ein leichter Dunst nach oben, bei diesen senkten sie sich nach unten wie eine

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