Die Physiognomie des Menschen

ernd von Natur hat, die erst auftreten, wenn der Körperzustand sich irgendwie ändert, z. B. im Zustand der Furcht oder Scham: wenn die Seele die Scham nicht mehr ertragen kann, so wird das Blut unter die Haut getrieben, und das Gesicht wird dunkelrot. In der Furcht zieht sich das Blut in seine Burg, in das Herz, zurück, und das Gesicht wird blaß. Röte und Blässe sind also Zeichen, die sich leicht und zufällig abwandeln können. Und wenn wir „Charakter“ sagen, so wollen wir darunter die durch die Sinne begründeten Gewohnheiten verstanden wissen, die Menschen und Tiere in gleicher Weise haben können. Die Ansicht des Trogus und Philon, die auch im Pflanzenreich Zeichen für die Werke der gestaltenden Seele finden zu können glaubten, ist trügerisch. Da diese gestaltende Kraft nach ihrer Ansicht allem Lebendigen innewohnt, fanden sie z. B. folgende Zeichen für Langlebigkeit aus denPflanzen: Wer lange, starkeHaare habe, sei langlebig, da auch die langlebigen Pflanzen, z. B. Fichte und Steineiche, feste, unvergängliche Blätter hätten. Das Wort Physiognomik ist zusammengesetzt aus den griechischen Worten Physis, d. h. Natur, Art, Wesen und Gnome, d. h. Erkenntnis, bedeutet also Wesenskunde, wie nämlich nach gewisser Regel und Ordnung der Natur einer bestimmten Körpergestalt eine bestimmte seelische Art entspreche. 18. Kapitel: Von dem Schluß der Physiognomik.

Wir haben bewiesen, daß Körper und Seele aneinander leiden und sich gegenseitig abwandeln, daß am Körper bestimmte Zeichen vorhanden sind, ‘durch die man die Charakteranlagen erkennen kann, und daß. somit die Physiognomik wahr ist. Um nichts Wissenswertes auszulassen, müssen wir noch den Schluß besprechen, mit dessen Hilfe die Physiognomiker solche bestimmte Zeichen auffinden und

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