Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

ihre Allgemeinmenschlichkeit ungleich näher stehen als die an konventionelle Zeichen gebundene Schrift.

In der Gesichtsphysiognomik wie in der Handschrift ist die Entscheidung nach den Tabellen mehrdeutig und wird durch die übrigen Ausdruckszüge mitbestimmt. Hier wie dort können wir Gefühls- und Willenszüge unterscheiden, so z. B. äußert sich der Wille, analog der Abdeckung, in der Handschrift durch Regelmäßigkeit, Druckstärke, Winkelbindung usw. Auch sonst können Analogiezuordnungen zur Genüge gefunden werden. So z. B. äußert sich der Charakterzug Vieldeutigkeit- Unbestimmtheit in der Handschrift durch die sogenannte Fadenbindung, in den Gesichtszügen durch das Vibrieren der Augenlider und Mundwinkel beim verschleierten Kontakt (vgl. das hierüber bei Besprechung der Maske Gesagte). Fast uneingeschränkt stimmt es auch in der Physiognomik der Gesichtszüge, daß jedes Erkennungsmerkmal positive und negative Bedeutungen haben kann, so wie in dem oben angegebenen Beispiel der Analogiezuordnung von Fadenbindung und verschleiertem Kontakt Vieldeutigkeit der Ausdruckshaltung ein positives, Unbestimmtheit ein negatives Merkmal ist, z. B. jenes bei Whitman (XIII, 1, 2), dieses bei Heine (VIII, 7, 8). Von positiven und negativen Merkmalen sprachen wir besonders bei den Kontaktmomenten des Auges; so kann der offene Blick umfassenden Kontakt, aber auch Kontaktlosigkeit bedeuten. Man kann ferner seine Miene ebenso verstellen wie seine Handschrift, aber hier wie dort erstrecken sich Willkür und Kontrolle nicht auf alle Teile des Schriftbildes wie des Mienenspiels gleichmäßig, und an der Vernachlässigung schwacher, schwer verstellbarer Punkte, wie der Haarstriche, der Wortenden, der Oberzeichen in der Schrift, der Augenbögen und der Mundwinkel in der Physiognomie, können beide, verstellte Handschrift wie Maske, entlarvt werden.

Wir bringen als veranschaulichendes Beispiel eine kleine

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