Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen
es durchaus mit der graphologischen Methode aufnehmen können, jedenfalls der bloßen Resonanzmethode um ein Vielfaches überlegen sind. Wo sich dennoch bei der Kontrolle Irrtümer herausstellen, können sie nicht anders als neue, fruchtbare Resultate zeitigen. Wir bleiben nicht ratlos, sondern forschen genau dem Grunde unsres Irrtums nach, untersuchen, ob wir uns vielleicht von körperlichen Momenten haben bestechen lassen, entdecken neue Ausdruckszüge, die uns entgangen waren, neue Bedeutungen der schon bekannten, und bereichern und korrigieren auf diese -Weise die Tabellen. Was die vergleichende Physioenomik für die stoffliche Entstehungsgeschichte der Tabellen leistet, leistet die Kontrolle für die methodische.
Man kann die Vorsicht noch weiter treiben und die Subjektivität des Beurteilers überhaupt ausschalten oder wenigstens ausgleichen, indem man das Urteil seiner Alleinkompetenz entzieht. So geschieht es in den Seminaren der PSychologischen Institute an den Universitäten. Sie gehen, ähnlich wie in den vorhin erwähnten Fällen, nach einem objektiven Verfahren vor, in welchem über jedes Porträt einem ganzen Stab von Versuchspersonen ein Fragebogen vorgelegt wird; über jede einzelne Einstellung jeder Gesichtspartie müssen sie sozusagen abstimmen. Darauf werden die Antworten gesammelt und einer statistischen Bearbeitung unterzogen. Dieses Verfahren hat den Vorteil, daß hier am wenigsten subjektive Willkür herrscht, daß die Diagnose, die am Öftesten in den Antworten vertreten ist, wahrscheinlich die zutreffendste sein wird und daß schließlich dem ausdrucksphysiognomisch geschulten Bearbeiter noch immer genug Spielraum bleibt, die einzelnen Stimmen nicht nur zu zählen, sondern auch zu wägen und damit auch seine vielleicht gewichtigere Meinung zur Geltung zu bringen.
Der praktische Physiognomiker, der den größten Teil seiner Diagnosenarbeit fast ohne fremde Hilfe verrichten
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