Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

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Fürſten, welcher, wie verlautete, in Cettinje nicht nur beargwohnt, ſondern nahezu bewacht wurde. Die fern von der Heimat ſi< befindenden Söhne der Schwarzen Berge ſprachen es unverholen ‘aus, daß Montenegro in kurzer Zeit losſ<lagen müſſe. Alle erwarteten mit Ungeduld die Einberufung. Etwas Aehnliches war ſchon bei der Podgoriza-Angelegenheit. Auch damals wurden die Montenegriner von Trieſt, ſowie jene von Conſtantinopel und von den türkiſchen Küſten zur Heimkehr aufgefordert, und Alle mit Ausnahme der Alten, Schwachen und Kranken leiſteten ſofort Gehorſam.

Wir ſtehen nun am Ende des Jahres 1875 und liefern als Schlußſtein desſelben in Kürze ein Rundbildchen über die ſtattgehabten Borgänge auf dem türkiſ<hen FnſurrectionsSc<auplaßye. Jm Bezirke Neveſinje hatten die Steuerpächter mit brutaler Willkür den Zehent einzutreiben verſucht. Das Jahr 1874 war jedo< ein Mißjahr geweſen ; troßdem hatten die Pächter das Erträgniß höher bemeſſen und ſie wollten im Fanuar 1875 den Zehent einheben. Die Bauern hatten aber die Ernte veräußert, um ihr Leben zu friſten, auh weigerten ſie ſi, den unbilligen Forderungen zu entſprechen. Es kam zu Gewaltthätigkeiten, die Beſchwerdeſührenden wurden beſhimpft und flüchteten ſih endlih na< Montenegro.

Die Podgoriza-Afffaire erhißte no< die Köpfe und ſo waren die Flüchtlinge in Montenegro willfommen, während die Gewaltthätigkeiten in Neveſinje fortdauerten. Doch kam es no< lange zu feinem bewaffneten Widerſtande, wohl aber verbreitete fih die Aufregung au< in dem Kaimafamat (ſandesfürſtlihe Stellvertretung) Bilek, gleichfalls hervorgerufen dur< eine gewiſſenloſe Verwaltung.

Als nun die Reiſe des Kaiſers von Oeſterreich nach Dalmatien ſtattfand, begegnete in den Kreiſen der ſlaviſhen Mohammedaner das Gerücht, es

ſtehe dieſe Reiſe mit einer bevorſtehenden Beſitz-

ergreifung des angrenzenden türkfiſhen Gebietes im Zuſammenhange, ſtarken Glauben. Was die Mohammedaner fürchteten, das hofften aber die Chriſten, und ſo kam es ſogar zu Bittſchriften, welche um Erlöſung vom türkiſhen Joche flehten und dem reiſenden Monarchen in Klek und Cattaro überreiht werden ſollten.

Die Flucht in die Berge wurde Ende April allgemein und die türkiſchen Localbehörden wähnten, ſie könnten die geſtörte Ruhe mit dem Aufgebote der Zaptiehs (Gendarmen) wiederherſtellen. Die Zaptiehs trafen jedoch bereits auf den Hochebenen bewaffnete Chriſten, welche indeß noh keinerlei Act der Feindſeligkeiten ausübten.

Nun griff Derwiſch Paſcha, der Statthalter von Bosnien, in eigener Perſon ein, um

die Bewohner von Neveſinje und Bilek zu beſtimmen, freiwillig die Waffen niederzulegen. Gleichzeitig wurde den Flüchtlingen in Montenegro ſicheres Geleite verheißen. Doch die Heimkehrenden wurden an der Grenze angehalten und bei dem ſfi<h entſpinnenden Kampfe zwei getödtet und vier verwundet, na<h welchem „Mißverſtändniſſe“ es zu neuen blutigen Gewaltthaten kam, die insgeſammt von den ſlaviſhen Mohammedanern begangen wurden. Fett nahm die Aufregung mit jedem Tage zu und die Lage der Dinge wurde #\o ernſt, daß man endli<h în Con ſtantinopel davon Notiz nahm.

Die Pforte drang auf „gütlihen Ausgleih“, aber ſie war nicht geſhi>t in der Wahl der Unterhändler und — die Dinge nahmen ihren verhängnißvollen Lauf. Die Aufſtändiſchen re<hneten auf ſihere Hilfe von Montenegro und Oeſterreih. Endlich kam es doh zum Zuſammentritt einer Frieden8commiſſion. Die Neveſinjer ſtellten ihre zur Zeit bekannt gewordenen Forderungen, von denen die erſte lautete: „Die chriſtlihen Frauen und Mädchen follen von Türken nicht mehr behelligt werden“.

Die Friedenscommiſſion ging reſultatlos auseinander, obſhon Derwiſch Paſcha von Verſprehungen überſtrömte. Die Neveſinjer erklärten, daß ſie die Waffen nicht gegen denSultan, ſondern nur aus Furcht vor den ſlaviſchen Mohammedanern erhoben haben, und zogen ſich dann mit ihren Familien und ihrer Habe, gleih den Bilekern, in die Berge zurück.

Am 1. Juli ermordeten \laviſ<he Mohammedaner einige wehrloſe kranke Chriſten und ſhon am 3. und. 6. Juli übten die Chriſten Vergeltung, mebßelten einen Haufen Türken nieder und nahmen einen Proviant-Transport. Am 18. Juli {lug Selim Paſcha mit zwei Bataillonen die Fnſurgenten in der Ebene von Dabra. Das Eingreifen der Truppen - machte Eindru> auf die Aufſtändiſchen. Sie erklärten no<mals, niht gegen den Sultan kämpfen zu wollen. Doch da man ſi<h ſ{<on geſchlagen hatte, ſo wollte man nicht bedingungslos die Waffen ſtre>en und ſih zunächſt der Mitwirkung der Katholiken, ſowie des Fürſten von Montenegro verſichern. Der Fürſt lehnte jede Unterſtützung ab, dafür erklärten ſich mehrere katholiſhe Gemeinden bereit, ſi<h der JFnſurrection anzuſchließen. Ljubobratitſ< tauchte auf. Ende Juli war alles Land, mit Ausnahme der Umgegend von Trebinje, zum Kampfe bereit.

Mitte Auguſt erhob ſi< der Stamm Zubci, und endlich trafen, troß der Abſage des Fürſten von Montenegro, Mannſchaften, Waffen und Munition aus den Schwarzen Bergen ein. So wurde mit wechſelndem Erfolge weitergekämpft, die Türken errangen wiederholt Vortheile, doh