Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

auf eine bisher unaufgeklärte Weiſe, no<h vor der abgelaufenen Friſt, in der „Kölniſchen Zeitung“ vom 3. Februar enthalten.)

Die Andraſ\y’\<e Reform-N ote lautete:

„Dfen-Peſt, 30. December 1875.

Von Anbeginn der Unruhen in der Herzegowina haben die europäiſchen Cabinete, in ihrem Fntereſſe an dem allgemeinen Frieden, ihre Blicke auf die Ereigniſſe rihten müſſen, welche denſelben zu gefährden drohten.

Die drei Höfe von Oeſterreich-Ungarn, Rußland und Deutſchland haben ſih, nah einem Austauſh ihrer diesbezüglihen Anſichten, zu gemeinſamen Bemühungen behufs Fried en sſtiftung vereinigt.

Dieſer Zwe>k ſchien dem allgemeinen Wunſche zu ſehr zu entſprechen, als daß die anderen Cabinete auf die Einladung ſi< dur< ihre Vertreter in Conſtantinopel demſelben anzuſchließen, ſi< nicht beeilt hätten, ihre Anſtrengungen mit den unſerigen zu verbinden.

Die Mächte haben ſi< in's Einvernehmen geſeßt, um allen ihnen zu Gebote ſtehenden Einfluß zu dem Zwe> aufzubieten, den Kampf zu localiſiren, ſowie die Gefahren und das Elend desſelben zu vermindern, indem ſie Serbien und Montenegro verhinderten, ſi< an der Bewegung zu betheiligen.

JFhre Sprache war um ſo wirkſamer, als ſie identiſ<h war und daher den feſten Willen Europas bekundete, keine Gefährdung des allgemeinen Friedens dur< unbefonnene Ueberſtürzungen zu geſtatten.

Die Cabinete haben überdies der türkiſchen Regierung die guten Dienſte ihrer ConſularAgenten angeboten, um zu der Beſhwichtigung des Aufſtandes mitzuwirken. Fn dem Verfolge dieſer Aufgabe haben ſie Sorge getragen, gleichermaßen jede Einmiſchung zu vermeiden und die Würde, die Rechte und Autorität des Souverains zu ſ{onen.

Die Delegirten durften ſich niht als Engquête- (Unterſuhungs-) Commiſſion gebehrden, noh ſi< als Advocaten der Wünſche der aufſtändiſhen Bevölkerung aufwerfen. Jhre Aufgabe war, der lebteren alle Selbſttäuſchungen über eine Unterſtüßung von auswärts zu benehmen und ſie zu ermahnen, na< Darlegung ihrer Wünſche und Klagen ſi< zu zerſtreuen. Die Mächte behielten ſi< nur vor, bei _der türkiſchen Regierung diejenigen Forderungen der Aufſtändiſchen zu unterſtüßen, die berechtigt befunden würden, Dieſes zuvorkommende Verfahren der Cabinete bezeugte in genügender Weiſe die freundſchaftlihe Abſicht, welche ſie bei Anbietung ihrer guten Dienſte geleitet hatte; es bekundete, daß in ihren Augen eine vollſtändige Solidari-

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tät (gemeinſame Verpflichtung) der Fntereſſen Europas, der Pforte und der aufſtändihen Bevölkerungen vorhanden war, um einem verderblichen und blutigen Kampfe ein Ziel zu ſeßen und durch ernſte Reformen und wirkſame Verbeſſerungen, welche die wahren Bedürfniſſe des Landes mit deu berechtigten Forderungen der Autorität verſöhnen würden, eine Wiederkehr desſelben zu verhüten.

Dies iſt in wenigen Worten der geſchichtliche Verlauf des ſeit dem Ausbruche des Aufſtandes von den Mächten eingeſhlagenen Verfahrens.

Die Cabinete haben ſi<_ bis zum heutigen Tage vornehmli<h von dem Wunſche leiten laſſen, Alles zu vermeiden, was als eine verfrühte Einmiſ<hung Europas angeſehen werden könnte.

Jn dieſem Gedankengange haben ſi< alle Cabinete darauf beſhränft, der Regierung des Sultans den Rath zu geben, ſi< niht an bloße militäriſhe Maßregeln zu halten, ſondern daraufauszugehen, das Uebel dur< moraliſhe Mittel zu befämpfen, welhe zukünftigen NRuheſtörungen vorzubeugen beſtimmt ſind.

Man darf annehmen, daß, wenn dieſe Grundſäße in weiſe gefaßte Geſetßesbeſtimmungen übertragen worden ſind und wenn vor Allem “ihre praftiſhe Handhabung vollkommen den hellen Geſichtspunkten ihres Urſprunges entſpricht, w ixkliche Verbeſſerungen in der türkiſchen Staatsverwaltung werden erzielt werden.

Gleichwohl können wir uns nicht verhehlen, daß die angekündigten Reformen niht aus ſihalleindieWirkunghabenkönnen, dem Blutvergießen in der Herzegowina und in Bosnien- auh nur für einen Augenbli>Einhalt zu thun, und daß ſie eben ſo wenig dazu angethan ſind, die fünftige Ruhe dieſer Theile des ottomaniſchen Gebietes auf feſten Unterlagen zu begründen.

Jn der That, prüft man den Jnhalt des «Frade vom 2. October und des Fermans vom 12. December, ſo kann man niht umhin, anzuerkennen, daß die Hohe Pforte ſi< mehr mit allgemeinen Grundſätzen, welche in beſtimmter Faſſung der Reichsverwaltung zur Grundlage werden dienen können, als mit der Herſtellung des Friedens in den heute im Aufſtande befindlihen Provinzen beſchäftigt hat.

Es liegt ganz beſonders im FJutereſſe der ottomaniſhen Regierung, daß vor Allem die Herſtellung des Friedens geſichert werde, denn bevor dieſe erreicht iſt, wird es unmöglich ſein, die Reformen in's Leben treten zu laſſen, welche die Hohe Pforte ſelbſt proclamirt hat.

Andererſeits haben die anarciſ<hen Zuſtände, welche die nordweſtlihen Provinzen der Türkei verwüſten, niht nur Schwierigkeiten für die Hohe