Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

Pforte im Gefolge, es liegt in ihnen auh eine große Gefahr für den allgemeinen Frieden, und die verſchiedenen Staaten Europas fönnen niht mit Gleichgiltigkeit einen Zuſtand ſich ſtets wiederholen und verſhlimmern ſehen, der ſhon jezt ſhwer auf Handel und Fnduſtrie laſtet und der, mit jedem Tage mehr das Vertrauen des Publikums in die Erhaltung des Friedens erſhütternd, ſtets höhere und wichtigere Fntereſſen in Frage ſtellt.

Auch glauben wir, eine gebieteriſhe Pflicht zu erfüllen, indem wir der ernſtli<hen Erwägung der Garantiemäcte die Nothwendigkeit anheimſtellen, der Hohen Pforte anzuempfehlen, ihr Programm dur< ſolhe Maßregeln zu vervollſtändigen, die unabwendbar erſcheinen, um in den augenbli>li< dur< die Geißel des Bürgerkrieges verwüſteten Provinzen Friede und Ordnung wieder herzuſtellen. Als Ergebniß eines vertraulichen Jdeen-Austauſhes, der zwiſchen uns und den Cabineten von Petersburg und Berlin ſtattgefunden hat, gelangten wir zu dem Schluſſe, daß dieſe Maßregeln in einer zweifachen Richtung geſucht werden müſſen: erſtens auf mo raliſ<em und zweitens auf materiellem Gebiete.“

Nach einer ausführlichen Erörterung der ſocialen und politiſchen Verhältniſſe der inſurgirten Provinzen fährt die Note folgendermaßen fort:

„Jh habe hiermit die Punkte dargelegt, deren Anwendung in den aufſtändiſhen Provinzen erlangt werden müßte, um ſi< der gegründeten Hoffnung auf Friedensſtiftung hingeben zu können. Dieſe Punkte ſind:

die volle und unverkürzteReligionsCet: die Abſchaffung der Verpachtung der Steuern;

ein Geſet, welches verbürgt, daß der Ertrag der directen Steuern von Bosnien und der Herzegowina zum Beſten der Provinz ſelb ſt, unter Aufſiht der in dem Geiſte des Fermans vom 12. December eingeſeßten Organe verwendet werde ;

die Einſeßung eines beſonderen Aus\<uſſes, der in gleiher Anzahl aus Muſelmännern und Chriſten beſteht, um die Ausführung der von den Mächten vorgeſchlagenen, ſowie der in dem JFrade vom 2. October und im Ferman vom 12. December verkündeten Reformen zu überwachen;

endlih die Verbeſſerung der wirthſ<haftlihen Lage der Landbevölkerung.

Die erſten Punkte könnten und müßten unverzüglih dur< die Hohe Pforte eingeführt werden, der fünfte ſtufenweiſe und ſobald wie irgend möglich.

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Wenn, unabhängig von den Bedingungen, welche uns als die weſentlichſten erſheinen, Bosnien und die Herzegowina noh die folgenden Reformen erhalten, die in dem jüngſten Ferman angedeutet ſind: einen Provinzialrath und. Gerihtshöfe, frei gewählt dur< die Einwohner ; die Unabſeßbarkeit der Richter; die Laien-Juſtiz ; die perſönliche Freiheit; die Bürgſchaft gegen Mißhandlungen ; die Umgeſtaltung der Polizei, deren Verfahren ſo viele Klagen hervorgerufen hat; das Aufhören der Mißbräuche, zu welchen die Leiſtungen von Arbeiten zum öffentlihen Nußen Anlaß geben; eine gere<hte Herabſeßung der Gebühren für Befreiung vom Militärdienſte ; die dem Eigenthumsrehte zu gebenden Vürgſchaſten ; wenn alle dieſe Reformen, in Betreff deren wir uns von der Pforte Mittheilungen erbitten, um davon feierli< Act zu nehmen, Anwendung gefunden haben in den aufſtändiſchen Provinzen, welche, nah dem Texte des Fermans zu urtheilen, noh niht ſoglei<h mit denſelben bedaht werden zu ſollen ſcheinen, ſo würde man hoffen können, den Frieden in dieſe verwüſteten Gegenden zurückkehren zu ſehen. ,

J< komme zum Schluß. Die - unbeſtimmten Verheißungen des Jrade vom 2. October unk des Ferman vom 12. December konnten die Hoffnungen nur exaltiren, ſtatt ſie zu beruhigen. Andererſeits iſt feſtzuſtellen, daß es den türfiſ<hen Waffen niht gelungen iſt, den Aufſtand zu beendigen. Der Winter hat dem Aufſtande einen theilweiſen Stillſtand geboten. Der Frühling wird ihn wieder aufleben ſehen. Die Ueberzeugung, daß mit dem Kommen des Frühjahrs neue Elemente den Aufſtand verſtärken, daß die Bulgarei und Kreta die Bewegung vergrößern werden, ift unter den Chriſten der Türkei eine allgemeine. Wie dem auch ſein mag, jedenfalls iſ vorauszuſehen, daß die Regierungen von Serbien und Montenegro, welche ſih bis zu dieſem Augenbli>e niht ohne Mühe außerhalb der Bewegung hielten, alsdann ni<t mehr im Stande ſein werden, der herrſhenden Strömung Widerſtand zu leiſten, und ſcon jezt ſcheinen ſie ſi< unter dem Eindru>e der Ereigniſſe und der öffentlihen Meinung in ihren Ländern mit dem Gedanken vertraut gemacht zu haben, beim Schmelzen des Schnees in den Kampf einzutreten. :

Bei dieſer Sachlage geſtaltet ſich der Verſuch der Mächte, im Jutereſſe des allgemeinen Friedens die äußerſten Verwi>elungen zu vermeiden, ſehr ſhwierig. Oeſterreih-Ungarn und die beiden anderen faiſerli<hen Höfe haben fi< im Verlaufe eines vertraulihen Fdeen-Austauſches in der Ueberzeugung vereinigt, daß, wenn man ſi< darauf beſhränken wollte, den Erfolg der dur< den jüngſten Ferman veröffentlihten Reform-Borſäße abzuwarten — Vorſäße, welche außerdem nah