Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

folgen ; ſie ſtellte vielmehr die Forderung, Fürſt Karl ſolle ſich als Bittſucher nah Conſtantinopel wenden, um die Bewilligung für die Unterhandlungen zu erhalten. Dazu war aber Fürſt Karl niht zu bewegen; er hatte auh nicht nöthig, das zu erbitten, was er nah ſeiner Auffaſſung des Pariſer Vertrages zu thun berehtigt war. Außerdem, hätte er ſih au< dazu verſtehen wollen, er hätte in Anbetracht der in Rumänien über dieſe Frage herrſchenden Anſchauungen es nicht gekonnt, ohne ſih in der für den Fortbeſtand ſeiner Herrſchaft bedenklichſten Weiſe zu erniedrigen. Man that nun zwiſchen Wien und Bukareſt, was man nicht laſſen wollte und konnte. Man hat es ohne und gegen die Pforte gethan, die in einer mehr wohl dur< Altersſhwäche als dur< Kraftgefühl verſchuldeten Verblendung die höflih gebotene Gelegenheit verſäumte, wenigſtens den Schein ihrer Oberherrlichkeit Rumänien gegenüber zu wahren.

Durch das Zuſtandekommen einer direct mit Rumänien vereinbarten Handels-Convention war nun allerdings eine für die türkiſche Oberherrlichfeit auf der Balkan-Halbinſel keineswegs erfreuliche Aera thatſächlih eröffnet worden. Oeſterrei<h-Ungarn hatte gezeigt, daß es bei aller Freundſchaft und Rückſicht für die Pforte nicht geſonnen ſei, wo und wie es überhaupt nur zuläſſig, das Wohl und Wehe ſeiner materiellen Jntereſſen von den Marotten und eingebildeten Anſprüchen des „kranken Mannes“ abhängig zu machen. Rumänien ſeinerſeits ward zum erſtenmale in den Stand geſeßt, ſelbſtſtändig und unmittelbar ſeine Handels-Angelegenheiten mit dem Auslande zu regeln. Es hat dies nicht allein theoretiſh dargethan, ſondern es hat es dem Auftreten Oeſterreih-Ungarns zu verdanken, daß es ſeine Action ſofort auch praktiſch zu verwerthen vermochte; denn was hätte alle Autonomie geholfen, wenn ſih keine andere Macht bereit gefunden hätte, ihm die thatſächlihe Ausübung derſelben zu ermöglihen? Man hoffte in Wien, daß man deſſen. nicht allein in Bukareſt eingedenk bleiben, ſondern au<h in den Nachbarländern, namentli< in Serbien und Montenegro, zur Erkenntniß kommen würde, daß die Großmacht, welche dur< Thatſachen, niht dur leere Worte, den Rechtsſtandpunkt Rumäniens zu ſtützen, bereit

war, auh für ſie, je na< Berhältniſſen, der werthvollſte Freund werden könne. Vielleicht trug dieſe Erkenntniß dazu bei, in jenen Ländern den vernünftigen Elementen, welche im harten Kampfe gegen ultra-nationale Verblendungen fih abplagten, für eine feſtere, erfolgreichere Organiſation Stärke und Zuverſicht zu verleihen, und die Ueberzeugung zu we>en, daß von allen Agitationsund Emancipations-Mitteln an der unteren Donau die intelligente Pflege der materiellen Futereſſen das wirkſamſte und eine friedliche, wohlverſtandene Handelspolitik die beſte Politik wäre.

Die Orient-Politik des Grafen Andraſſy feierte gerade in dieſer Angelegenheit, ſo vielfach ſie auh darob angefochten wurde, einen ganz beſonderen Triumph. Es war dem Miniſter für die auswärtigen Angelegenheiten gerade in dieſer Beziehung keine geringe Aufgabe geſtellt worden. Graf Andraſſy gab ſi einestheils ohne Zweifel ſhon ſeit geraumer Zeit keiner Art von Täuſchung mehr darüber hin, wel<! niederer Grad von Lebensfähigkeit no< der Türkei von heute innewohne. Ebenſowenig aber durfte er auf der anderen Seite verkennen, wie ſehr es das eigenſte Intereſſe Oeſterreih-Ungarns erheiſhte, nach dieſer Richtung hin keine ernſten Verwickelungen auftauchen zu laſſen. Oeſterreichs Politik war und mußte daher lediglih darauf gerichtet ſein, den Status quo im Orient zu erhalten, ſo lange dies der Zuſtand der altersſhwachen Pforte nur irgend geſtattete, ohne deshalb aber jene lebensfräftigeren Pölkerſchaften, welhe mit der Souverainetät des Sultans no< in mehr oder minder loſem Zuſammenhange ſtanden, von den Segnungen der Cultur abzuſchneiden, wie ſie der intelligente Weſten geſchaffen und zu genießen verſteht. Es galt alſo, die rete Mitte innezuhalten und die culturellen Beſtrebungen jener ſi emporarbeitenden Völkerſchaften zu unterſtühen, ohne deShalb die ohnehin ſ{hwierige Machtſtellung der Pforte brüsf zu untergraben. Der Selbſtauflöſungs8Proceß, der ſi< am Goldenen Horn allgemah vollzieht, durfte unter keinem Vorwande beſchleunigt oder dur< täppiſches Dreinfahren widernatürli< in Fluß gebracht, die aufbrauſenden und no< wenig civiliſirten Leidenſchaften der culturfähigen Vaſallenſtaaten durften niht über Gebühr angefacht werden.

GF