Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

den Steuerverweigeren geſandt ,- deren Zahl während der Zeit anſehnlih gewachſen war. Die Bemühungen der beiden Friedensſtifter blieben erfolglos. Die Mißvergnügten griffen ſogar zu den Waffen, überfielen und plünderten eine Karawane auf dem Wege von Moſtar na< Neveſinje, wobei ſieben Türken erſchlagen wurden, und attaquirteu wenige Tage ſpäter ein Detachemeut Zaptiehs (Gendarmen), von denen ſie einen tödteten. Darauf verlangten fie, nur mit den Commiſſären verhandeln zu wollen, welche von Conſtantinopel betreffs Feſtſtellung dex montenegriniſhen Grenze eingetroffen waren.

Haſſan Paſcha und Conſtant Effendi, welche in Folge deſſen zu ihnen nah Neveſinje ſih begaben, hatten zwei Unterredungen mit den Führern der Auſfſtändiſhen. Die Verhandlungen wurden jedo< abgebrochen, da ſie die Waffen nur niederlegen wollten, falls alle ihre Forderungen erfüllt würden. Auf dringendes Erſuchen Haſſan Paſchas machten die Türken endli<h Ernſt und ſchi>ten Truppen na< Neveſinje, um die aufſtändiſhe Bewegung im Keime zu erſti>en, aber — es war ſhon zu ſpät, denn von allen Seiten eilte man aus den mißvergnügten Ländern herbei, um den Empörern beizuſtehen.

Die Annahme, die Unruhen in der Herzegowina als einen bloßen „Putſh“ zu betrachten, gewann immer mehr Verbreitung uud zuleßt ſchloſſen ſi< ihr au<h Jene an, die anfänglich noh in dieſer Affaire das Zündhölzhen zum Brande für die Orientfrage erbli>en wollten. Es hieß zuleßt, daß es ſi< um einige Steuer-Renitenten handle und daß ſi< nur etwa fünf Gemeinden der Herzegowina dem „Putſche“ angeſchloſſen hätten. Die officiöſen Blätter behaupteten, daß dieſe „Vorfälle“, die hie und da auh mit dem bedeutſamen Namen „Auſfſtände“ bezeichnet wurden, blos Renitenzfälle ſeien, wie ſie in dieſen Gegenden der Türkei jährli<h vorkämen, ſi< mehr oder weniger ausbreitend und ſeitens der Bevölkerung ausſcließli< darauf berehnet, ſi<h von der Steuerlaſt zu befreien und ähnliche Privilegien zu erzwingen, wie ſie einzelnen Grenzdiſtricten anläßli<h der Unterdrü>kung des leßten montenegriniſhen Aufſtandes gewährt wurden. Grenzüberſchreitungen kamen anfängli<h, Dank der Fürſorge auf öſterreichiſcher Seite, niht vor, und auh Fürſt Nikolaus ſcien entſchloſſen, jede Theilnahme der Montenegriner in der Herzegowina mit Energie hintanzuhalten.

Etwas ſ{<limmer lauteten die Nachrichten der nächſten Tage.

Die Juſurgenten (wie ſie bereits hießen) hatten den Fluß Krupa überſeßt und ſih, ohne Widerſtand zu finden, bis in die Nähe von Moſtar ausgebreitet, nahdem ſie an den Brücken bei Bregava und Taſovcici ihre Fahnen aufgepflanzt hatten. Am 8. Juli griffen ſie, alten

Groll entfeſſelud, in Viſina, re<ts von Moſtar, eine türkiſhe Karawane an und- tödteten von den vierzehn Wanderern dreizehn angeſichts einer türfiſhen Truppenabtheilung unter dem Commando von Selim Paſcha, der ſi< erſt am folgenden Tage aufmachte, um die Getödteten zu begraben. Der ganze Diſtrikt Bekia machte Miene, ſih zu erheben.

Und es kam immer ſ{<limmer. Obwohl officióſe türkiſhe Quellen die Bewegung als unbedeutend darſtellten, ſo ſchien thatſählih die ganze Herzegowina am Aufruhr theilzunehmen. Die Redifs (Landwehr, wörtlich : hinten Nahkommenden) von Bosnien wurden unter die Waſfen gerufen, um den wenigen türkiſhen Truppen Beiſtand zu leiſten. Die Beſatzung der Städte getraute man ſi<h niht abzuberufen, weil auh die Stadtbevölkerung unruhig war. :

Das erſte Corps der Aufſtändiſchen nahm die Richtung auf Trebinje und drang durch die dichtbevölkerte Popovopolje auf Moſtar vor; das zweite Corps, ungefähr vierhundert Mann ſtark, ging dur< das Pivathal über Drobnjak nach der Drina, um über Fottja und Goredſha nah dem bo8niſhen Süden bei Serajewo zu gelangen. ODhwohl der Fürſt von Montenegro die Theilnahme am Auſſtande bei Todesſtrafe verboten hatte, hieß es doh, daß ſi<h bei leßterem Corps viele Freiwillige vom Stamm der Piperi befinden. Dex Hauptſammelplaß aller Aufſtändiſchen war die Hochebene von Neveſinje, welche ungefähr 6000 <riſtlihe Bewohner zählt. (Neveſinje iſt ein kleines Städtchen von ein- bis zweitauſend Einwohnern, Hauptort der Nahia gleichen Namens, und liegt etwa drei Meilen ſüdſüdöſtlih von Moſtar in unwirthliher felſiger Gegend. Moſtar ſelbſt befindet ſi< in türkiſhen Händen und iſt militäriſh beſeßt.)

Eine aus Moſtar ausgerü>te Truppe von 200 Türken ſtieß in der Nähe von Neveſinje auf Aufſtändiſche; nah einem heftigen Kampf, wobei eine große Anzahl von Türken, aber auh gegen 80 Auſfſtändiſche blieben, zogen ſi< die erſteren zurü>. Pardon wurde niht gegeben, überhaupt war die Kriegführung, wie immer, auf beiden Seiten eine barbariſhe und grauſame. Während türfkiſhe Gefangene ſofort niedergemetelt wurden, rächten ſi< die Osmanen an den Weibern und Kindern der Herzegowiner. Ein anderes türkiſches Corps unter Selim Paſcha wurde von den Herzegowinern aus Buna, Humatſh und Bjelotiſh zurügetrieben ; bei dieſer Gelegenheit überfielen die Aufſtändiſchen eine türkiſhe Handelsfarawane in der Nähe von Viſina, unweit von Moſtar, und erſhlugen von den ſi< zur Wehr ſetzenden Kaufleuten dreizehn, nur einer entkam, Die Wagen mit den Gütern wurden mitgenommen. Die Auſſtändiſhen zogen ſi< von der dalmatiniſchen Grenze etwas zurü> und campirten, nah-