Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten
verzieren. Das journaliſtiſhe Organ der Regierung hatte ebenfalls einen vier Spalten langen Artikel gebracht, der den „Befreier und Beglücker aller unterdrü>ten Nationen, den Begründer der rumäniſhen Unabhängigkeit“ willkommen hieß und beglü>wünſhte. Troßdem die Zeit eine furz bemeſſene war und alle Vorbereitungen Nachts getroffen werden mußten, hatte doch die Stadt ein ſehr feſtlihes Anſehen. Eine unermeßlihe Menſchenmenge hatte ſi< auf den Straßen, die von dem Bahnhofe nah dem - fürſtlichen Palais führen, verſammelt. Um 11?/, Uhr fuhr der Fürſt und die Fürſtin, umgeben von ihrem geſammten Militär- und Civilgefolge, zum Bahnhof, wo ſie bereits alle Miniſter, der Metropolit der Moldau (der Primar von Rumänien weilte derzeit in einem böhmiſchen Bade), die Mitglieder des Caſſation8hofes und viele andere hohe Beamte erwarteten. Einige Minuten vor zwölf Uhr fingen die Kanonen zu donnern an, der Fürſt und die Fürſtin, die ſi<h Beide in dem feſtlih gezierten Warteſaale aufgehalten hatten, ſchritten auf den Perron hinaus. Punkt zwölf Uhr fuhr faſt geräuſ<los der wirkfli<h prachtvolle faiſerlihe Zug in die ſehr gezierte Halle.
Kaiſer Alexander II. trug die gewöhnliche Felduniform und die weiße Mütze. Die Großfürſten trugen alle dieſelbe Uniform. Der Kaiſer reihte zuerſt dem Fürſten herzlih die Hand, worauf er auf die Fürſtin zuſchritt, ihr die Hand füßte und von ihr nah ruſſiſcher Sitte auf die Stirne geküßt wurde. Darauf ſtellte der Kaiſer den Großfürſt-Thronfolger dem fürſtlihen Paare vor. Die übrigen Großfürſten, Wladimir und Sergius, des Kaiſers Söhne, Nikolaus Vater und Sohn und die beiden Herzoge von Leuchtenberg waren {hon vorher in Bukareſt geweſen. Unterdeſſen hatte ſi< der Metropolit, das Kreuz und das Evangelium in den Händen haltend, dem Kaiſer genähert, er hielt ihm eine kleine Anſprache in franzöſiſher Sprache, worauf der Czar ſi< tief verneigte und das Kreuz und Evangelium küßte. Darauf nahm der Primar Roſetti das Wort. Er dankte dem Kaiſer für die Ehre, die er Bukareſt dur< ſeinen Beſuch erwieſen, verſicherte, daß die rumäniſhe Nation von jeher mit Liebe und Verehrung an Rußland und dem Kaiſer gehangen, und wünſchte dem Czar einen glü>li<hen Au8gang des Krieges, „der nur zur Ehre Gottes und zur Befreiung unterjochter Nationen unternommen ſei“. Der Kaiſer dankte in wenigen Worten, worauf ſi< die ganze hohe Geſellſchaft in den Wartſaal zurü>zog. Hier begann die Borſtellung des Gefolges. Der Fürſt reichte jedem der ruſſiſhen Herren die Hand; der Kaiſer erwies dieſe Ehre nur dem Fürſten Demetrius Ghika. Die Vorſtellung mochte wohl zwanzig Minuten gedauert haben, worauf der Kaiſer, der Fürſtin den Arm reichend, dem
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Ausgange zuſchritt und den bereitſtehenden à la Daumont beſpannten vierſizigen Wagen beſtieg. Er ſaß zur Rechten der Fürſtin, ihm gegenüber, am Borderſite, hatten ſeine Söhne Wladimir und Sergius Plaß genommen. Jm zweiten, ebenfalls vierſibigen Wagen folgten der Czarewith, Großfürſt Nikolaus, Vater, und Fürſt Karl, der auf dem Vorderſitze ſaß. Jm dritten Wagen hatten Großfürſt Nikolaus Sohn, die beiden Herzoge von Leuchtenberg und Herzog Romanoff, Sohn des Grafen Stugonoff, Plaß genommen. Jn den übrigen vierzehn fürſtlihen Wagen folgte darauf das ganze über 30 Perſonen ſtarke Gefolge des Kaiſers.
Fürſt Gortſchakoff war mit Bratianu in einen und denſelben Wagen geſtiegen. Kriegsminiſter Mil jutin mit Cogolniceanu, ihnen folgten General Fg natieff mit dem Chef der Geheim-Polizei, Graf Adlerberg, Fürſt Dolgorucki mit dem Kammerherrn Fürſten Galißin und viele andere Herren. General Nipokojtſ<ißky glänzte dur< ſeine Abweſenheit, Der Empfang des Kaiſers war kein beſonders enthuſiaſtiſher. Es wurden ihm zwar viele Kränze und Blumen in den Wagen geworfen, es wurden aber nur ſehr wenige Lebeho< gehört. zm Palais angekommen, führte Fürſt Karl in eigener Perſon dem Kaiſer die im Hofe aufgeſtellte Ehrengarde vor und ſtattete ihm den reglementsmäßigen Rapport ab, worauf ſi die hohe Geſellſchaft in den blauen Salon begab, wo der Kaiſer einige Augenbli>e Cercle hielt. Darauf fand Familien-Dejeuner ſtatt, an dem nur die faiſerlihe und fürſtlihe Familie theilnahm. Für das Gefolge des Kaiſers und der fürſtlichen Familie wurde das Frühſtü> in einem großen Speiſezimmer zu ebener Erde ſervirt. Die Hofdame der Fürſtin, Frau Mavrogheni, präſidirte dieſem Dejeuner. Zur Rechten ſaß Fürſt Gortſchakoff, zur Linken Graf Adlerberg, gegenüber General Fgnatieff, der zur Rechten Miljutin, zur Linken Cogolniceanu hatte. Bratianu nahm an dem Dejeuner niht theil. Gegen Ende des Frühſtüces erhob Cogo [lniceanu ſein Glas und trank auf die Geſundheit des Kaiſers und auf das glü>lihe Ende des Krieges. Fürſt G ort ſ<akoff antwortete ſitzend, — ſeine Beine ſind bekanntermaßen ſehr {<wa<, er danfte dem Redner für ſeine guten Geſinnungen, erinnerte an die Fortſchritte, welhe Rumänien ſeit einiger Zeit gemacht, die es zum großen Theile der weiſen Regierung des Fürſten Karl verdanke, auf deſſen Geſundheit er ſein Glas leere!
Nah Beendigung des Frühſtüces verſammelte ſi wieder die hohe Geſellſchaft im blauen Saale, wo der Kaiſer einige Augenblie mit Frau Mavrogheni ſpra<h. Um 2!/, Uhr beſtieg man die bereitſtehenden Wagen und fuhr in derſelben Ordnung, wie man gekommen, zum Bahn-
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