Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

gebenen Verhältniſſe ſeines Landes und Volles, mit Umſicht und Glü> gelöſt hat.

FS8maïl zog zunächſt viele franzöſiſche. und ſpäter auh amerikaniſche Stabsoffiziere in's Land, unter den Erſteren den Artillerie-Capitain Mini é, den Erfinder des nah ihm benannten Gewehres, der no< jeßt als Minié Paſcha in Kairo lebt. Sein Gewehr iſ ſpäter, als das Hinterladungsſyſtem allgemein wurde, dur das Remington’ ſche erſet worden, von well,em na<h und nach gegen 200.000 Stü>e angeſchafft wurden. Die Artillerie hatte anfangs no< Vorderlader nah dem franzöſiſchen Syſtem Lahitte, ſpäter erhielt ſie faſt durhweg Krupp’ſche Hinterlader und mag jebßt im Ganzen, die Strandbatterien in Alexandrien mitgere<net, über 250 Geſhüße verfügen.

Der großherrlihe Ferman vom Mai 1866, welcher — im Gegenſatze zu der ſonſt im Orient üblihen Erbfolge, nah welcher ſtets der Aelte ſt e der regierenden Familie den Thron einnimmt für Egypten die directe Erbfolge vom Vater auf den Sohn feſtſtellte, geſtattete au<h dem Khedive, den Effcctivbeſtand ſeiner Armee von 18.000 Mann, die er früher niht überſchreiten durfte, auf 30.000 Mann zu erhöhen, ein Zugeſtändniß, welches der Khedive, na< dem Grundſatze „lieber zuviel als zuwenig“ ſehr geſchi>t zu benützen verſtanden hat. Uebrigens liegt es auf der Hand, daß bei einer regulären Armce von 30.000 Mann no< immer Reſerve-Mannſchaſten und Localtruppen beſonders zu re<nen ſind, desgleihen Recrutenregimenter u. ſt. w., wodurch der Geſammtbeſtand der Wehrfraft weſentli< erhöht wird. Jm Momente beſtand dieſe Geſammt-Wehrkraft aus 18 JnfanterieRegimentern, 4 Schüßenbataillonen, 4 CavallerieRegimentern, 2 Feld- und 3 Feſtungs8artillerieRegimentern und einem Sappeurbataillon. Zu dieſen kamen no< die Marine-Soldaten und von irregulären Truppen die „Stadtwache“; eine Art Gendarmerie für den Sicherheitsdienſt in den größeren Städten.

Die egyptiſhen Soldaten machen im Allgemeinen einen guten und vortheilhaften Eindru>, wozu die dem heißen Klima entſprechende Uniform mit dem rothen Tarbusch als Kopfbede>ung (zunächſt bei der JFnfanterie) viel beiträgt. Aber auh die Cavallerie und ſogar die Offiziere des Generalſtabs — Chef desſelben iſt der amerifaniſhe General Stone — tragen während der ſe<s Sommermonate weiße Uniform, und der rothe Tarbusch (rothe wollene Mübe, mit dunkelblauer Quaſte) gehört der geſammten egyptiſhen wie au< der türkiſhen Armee an, vom Generaliſſimus bis zum letzten Rekruten. Ein ſ{<öónes Regiment bilden die Hußaren in ihrer lihtblauen Uniform mit dunkelbraunen Schnüren, die bei den Offiziren no< rei< mit Gold durhwirkt ſind. Auch die Uhlanen ſind eine ſtaltlihe Truppe in ihrem weißen Koſtüm und

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auf ihren faſt dur<wegs weißen Pferden. Die reitenden Gendarmen, aus einem früheren Dragoner-Regiment gebildet, nehmen ſi< glei<falls gut aus in ihrem hohrothen Waffenro> mit weißen Schnüren und dem langen Revolver-Carabiner.

Das Exercitium, bei durhweg türkiſhem Commando, war anfangs ganz nah ſranzöſiſ<hem Muſter eingerichtet ; erſt na< dem deutſh-franzöſiſchen Krieg und dem dadurch erfolgten militäriſhen Uebergewiht Deutſchlands hat auh der Khedive für ſeine Armee das preußiſhe Exercitium angenommen, und es erſcheint jeßt fein deutſches militäriſ<hcs Handbuch über den praftiſhen Dienſt im Feld, das niht ſofort in's Arabiſche und allerdings au< in's Franzöſiſche überſezt würde, denn die franzöſiſhe Sprache iſt einmal ſeit Mohammed Ali die zweite Sprache im Lande. Entſchieden hat aber der Dienſt na< preußiſhem Vorbild einen guten Einfluß auf die egyptiſhen Truppen, namentlich auf die JFufanterie, gehabt ; ſie ſind dadurh ſicherer und „ſtrammer“ geworden und manöveriren präciſer und mit mehr Verſtändniß. Wenigſtens dürfen für dieſe Behauptung zwei Gewährsmänner angeführt werden, zwei preußiſche Stabsoffiziere, die ſi< im Jahre 1876 einige Monate in Kairo aufhielten und die egyptiſche Armee in ihren einzelnen Theilen einem näheren Studium unterzogen.

Ein preußiſher Major iſ in militäriſhen Dingen, vorzügli<h im Ausland, ſtets ein ſtrenger Kritiker, und wenn er „Lob und Beifall“ ſpendet, ſo muß er ſeinen guten Grund dazu haben. Dies lettere thaten nun die Herren in vollem Maß und wunderten ſi< zumal über die vortreffliche Haltung der Neger-Regimenter, über die Präciſion ihrer Bewegungen und über ihre Fertigkeit im Schießen. Sie geſtanden offen, daß ſie ſo etwas niht im entfernteſten erwartet hätten, und mchr als einmal entfuhr ihnen der <harafteriſtiſ<he Ausruf: „Wirklich, ganz famos!“

Der egyptiſhe Soldat iſt, wie ſein türkiſcher Bruder, mäßig und gehorſam ; Jnſubordinationsvergehen ſind außerordentlich ſelten und Trunkenheit (ſ{<on weil der Koran alle berauſchenden Getränke ſtreng verbietet) no< ſeltener. Die Strapazen langer Märſche, ſelbſt unter der glühenden afrikaniſhen Sonne, erträgt er leicht, und was ihm an Patriotismus — dieſes Wort in ſeiner abendländiſhen Bedeutung iſ überhaupt im ganzen Oriente nirgends zu finden — fehlen mag, erſeßt reihli< der Fatalismus (Glaube an ein unabweisbares Verhängniß), der im Krieg, wie man es ‘in früheren Jahrhunderten und jezt wieder geſehen hat, zu einer furhtbaren Waffe werden kann. „Allah hat das Schifſal vorherbeſtimmt, und wenn Du in der Schlacht fällſt, ſo gehſt Du direct in die Freuden des Paradieſes ein.“