Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten
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Frühlinge in der neueroberten Provinz Darfur ausgebrochene Aufſtand niht gehörig unterdrückt, no< war die allerjüngſte Eroberung der egyptihen Heere, das Sultanat Harrär nämlich, nicht gänzlich unterworfen, und was das Schlimmſte geweſen, no< immer befanden ſi<h die Finanzen dieſes Herrſchers in einem ſehr traurigen Zuſtande und mochten ſie ſi< auh in der nächſten Zeit nicht beſſern.
Doch dies Alles vermochte niht, dieſen Lehnsmann Abdul Hamid's von der Theilnahme am türfiſh-ruſſiſhen Kriege abzuhalten, und er ſchi>te na< Bulgarien ein Heer, an deſſen Spie er ſogar ſeinen eigenen Sohn ſtellte, das bald den in der Dobrudſcha ſtehenden Ruſſen den Weg nah Varna brav und glü>li< verlegte und dabei au< no< den Rücken der bei Schumla ſtehenden türkiſ<hen Armee de>te. Welches waren aber die Beweggründe, welhe Fs8mail Paſcha veranlaßten, ſeine Verträge mit dem Türkiſchen Reiche ſo gewiſſenhaft zu erfüllen und die bisher nur todten Buchſtaben derſelben auf einmal lebendig werden zu laſſen? Nun, die rihtige Erfenntniß, daß Egypten nur unter den Fittigen des Türkiſchen Reiches ſeine Selbſtſtändigkeit behaupten fann und daß es mit dieſem Reiche in Afrika Alles, ohne dasſelbe jedo< gar nihts erreihen wird. F8mail Paſcha fühlt ſi<h nämlih von der Weltgeſchichte dazu berufen, in DſtAfrika ein großes arabiſ<-mohammedaniſches Reich zu gründen oder wenigſtens die no< fehlenden Hauptbeſtandtheile dazu zu erwerben, das ſih von den Nilmündungen bis zum Aequator hinauf und von den Küſten des Rothen Meeres bis weit in das Junere des Sudans hinein erſtre>en ſoll. Der Nil würde ſomit gänzli<h ein egyptiſcher Fluß werden, und der Jslam, der für Afrika das ift, was das Chriſtenthum für Europa war, fönnte dann ſiegrei<h bis zu den ſernſtwohnenden Negerſtämmen vordringen und ſie für ſi< erobern. Aber auh der Handel und die Civiliſation Oſt-
Der erſte Schritt der
Die Ruſſen hatten endli<h den erſten factiſhen Donau-Uebergang vollzogen. Sie hatten ein abenteuerlihes Unternehmen gewagt, das ihnen in ſeinen Anfängen geglü>t iſ. Fn der Nacht vom 21. auf den 22. Juni hatte ein ſe<8tauſend Mann ſtarkes ruſſiſhes Corps die Donau von Galaß aus überſchritten und ſi< vor den türkiſhen Befeſtigungswerken von Matſchin feſtgeſeßt. Das Erſcheinen des Czaren in Braila am 21. Funi ließ mit Gewißheit darauf ſchließen, daß in jener Gegend ein wichtiges militäriſhes Ereigniß ſi< vollziehen
Zimmermann, Geſch. des orient. Krieges.
aſrifkas würden dur< das Entſtehen eines ſtarken groß-egyptiſ<hen Reiches viel gewinnen und ſo demſelben die vollen Sympathien der gebildeten Welt verſchaffen. Während ſeiner beinahe nun dreizehnjährigen Regierung hat Fs mail Paſcha an Beſtandtheilen für das zu gründende großegyptiſhe Reih neu erworben : die Sultanate von Darfur und Harrär, die Küſte von Berberah, die Stadt Zeilah und ihr Gebiet, und einige Landſtriche am oberen Nil. Abyſſinien, na<h dem derſelbe ebenfalls ſein Eroberungs8ney ausgeworfen hatte, iſt ihm zwar diesmal glü>li< entſhlüpft, dürfte aber ſpäterhin denno< eine egyptiſhe Provinz werden. Dieſe nun ſoeben aufgezählten mohammedaniſchen Länder konnten von Egypten nur dadurch dauernd in Beſiß genommen werden, daß dasſelbe ſi<h als Bevollmähtigter des Khalifen in Conſtantinopel, der ſtets eine Art nominelle Oberherrſchaft über dieſe Provinzen ausübte, gerirte. Sultan Abdul Aziz hatte FSmail Paſcha wirkli<h dur< einen Ferman zur Beſibergreifung von dieſen Ländern berechtigt — und dieſelben ſo mittelbar mit dem Reiche des Khalifen vereinigt. So lange ſi< nun F8mail Paſcha als Beauftragter des Khalifats ausgeben kann, ſo lange, deſſen iſ er ſi< wohl bewußt, wird er immer den mohammedaniſchen Völkern Afrikas Furcht und au< Verehrung für ſeine Perſon einflößen, und ſo lange werden ſich dieſe ſeine Regierung auh gefallen laſſen. Dies ſind nun die Vortheile, welhe Egypten in Afrika aus ſeiner treuen Anhänglichkeit an das Haus Osman zieht, in Europa dagegen ſind dieſelben jedoh bekanntlih no< größer, da es dort, ſo lange das Princip von der Unverleßlichfeit des Türkiſchen Reiches in dem Lehrbuche der Diplomatie einen unumſtößlichen Lehrſatz bildet, feiner Großmacht einfallen wird, ihre Hand nach dieſem Lande auszuſtre>en und es zu einer einfachen Colonie herabzuſetzen.
Ruſſen über die Donau.
werde. Den Türken konnte es unmöglich ein Geheimniß bleiben, daß der Czar in Braila angelangt ſei. Jn allen europäiſchen Hauptſtädten war dieſe Thatſache bekannt und ſie mußte über Conſtantinopel in das türkiſ<he Hauptquartier gelangen, das ſofort die nöthigen Vorkehrungen an dem offenbar bedrohten Punkte treffen konnte. Ohnehin hatte von Braila aus {on vor aht Tagen gegen Matſchin zu das Ueberſchreiten der Donau dur eine ruſſiſhe Abtheilung ſtattgefunden und die Ruſſen errichteten ſogar hei Getſchet eine Batterie gegen Matſchin. Das allein
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