Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

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Dabnik zum Fluß Magliſh, den ſie bei dem armen Bulgarendorf Salzy dur<ſ{<neidet. Der ſteilen Ufer wegen i} eine Bewegung längs des Fluſſes faſt unmöglih, daher ſteigt die Straße die gegenüberliegenden Höhen hinan, geht über den Nebenfluß des Magliſ<h und entfernt ſich, nachdem fie einen großen Bogen beſchrieben hat, um ein Bedeutendes vom Thal Magliſh. Von den erſt ſteinigen, dann bewaldeten Höhen der Dobrina-Planina ſteigt die Straße den Berg Powak (3000 Fuß) hinan, von deſſen ſteilen Wipfeln ſih eine prähtige Ausſiht auf Kaſanlik eröffnet. Darauf dur<zieht ſie einen Eichenwald und ſenkt ſi< zum Magliſch’ſhen Kloſter (1500 Fuß). Von hier an wird ſie beſſer, kehrt zum Fluß Magliſh zurü> und wendet ſi<h zum gleichnamigen Dorf, das 400 bulgariſ<he und 190 türkiſhe Höfe hat. Von hier geht es nah Kaſanlik. Vom Dorfe Selzy führt no< ein anderer Weg, der aber nur von Fußgängern und Reitern benüßt werden kann, na< Kaſanlik.

Außer den erwähnten Fahrwegen führen no< folgende Fußſteige über den Schipka- und TrawnaBalkan :

a) Vom Seleno-Drewno (auf dem Wege aus Grabowa nah Schipka) in's Dorf Sofolar, das im Kaſanlik’ſhen Thale liegt und den Engpaß Akdere verſchließt ;

b) Zwiſchen Grabowa und der Ortſchaft JFmetli;

€) von der Ortſchaft Kilfar na< Chankiöi. Dieſer Fußweg iſt 36 Werſt lang, eng, ſehr ſteil und geht durch die ödeſten Stellen des Gebirgrüdens. Aber au< ſchon in früheren ruſſiſ<h-türkiſchen Kriegen waren die Balkan-Päſſe der Schauplay kriegeriſher Ereigniſſe.

Es ſind, wie allgemein bekannt, nun 48 Jahre, daß der Marſchall Di ebitſ< den Balkan überſhritten (1829) und die ehemalige Reſidenz der Sultane, Adrianopel, beſetzt hatte. Er erhielt dafür den Ehrennamen Sabalkansky, d. h. Beſieger des Balkan. Noch giebt es Leute, freili< nur ſehr wenige, welche jenen Ereigniſſen einige Erinnerung bewahrt haben, und zu dieſen Wenigen gehört au<h der ehemalige Liebling Abdul Medſchid’s, der alte Nhiza Paſha, deſſen früherer Einfluß, wo er nah einander die höchſten Stellen einnahm, den europäiſchen Politifkern und Diplomaten noh allenthalben bekannt ſein dürfte. Rhiza Paſcha hat, wie all die wenigen Veteranen aus jener Zeit der Bedrängniß, längſt aufgehört, eine Rolle zu ſpielen, aber er bemerkte, daß der Schre> der leßten Wochen unter der Bevölkerung der Hauptſtadt auf ein Haar jenem anderen aus dem Jahre 1829 geglihen habe. Wie damals {wand auh diesmal, wie durch böſen Zauberſchlag, jedes Selbſtbewußtſein, jedes Vertrauen auf die eigene Kraft, und

Zimmermann, Geſch. des orient. Krieges.

Sultan wie Volk glaubten dem Verhängniſſe nimmer begegnen zu können.

Freilich liegt in den beiden Ereigniſſen des ruſſiſhen Balkan-Ueberganges der weſentlihe Unterſchied, daß der energiſ<he Ma hmud wohl die Gefahr, die ihn allenthalben bedrohte, einſah, nimmer aber ſi< früher für überwunden zu erklären geſonnen war, ſolange niht die Koſaken auf dem Moſcheeplay der Mehemedſche ein gleihes Blutgeriht angerichtet haben würden, wie vor mehr als drei Fahrhunderten der Eroberer Mohammed Il. auf demſelben Plaße der damaligen byzantiniſchen Apoſtelkirhe. Abdul Hamid's Verhalten nah den erſten ſeinerzeit in Conſtantinopel eingetroffenen Nachrichten von dem ſiegreihen Vordringen ruſſiſher Colonnen über den Balkan war nichts weniger als ein würdiges. Seine Umgebung hatte allen Ernſtes die Möglichkeit einer baldigen Bedrohung der Hauptſtadt in's Auge gefaßt und hierbei eine Ueberſiedlung des geſammten Hofſtaates na< Bruſa, das nur wenige Stunden (mittelſt Dampfſchiff na< Meudonia) entfernt iſt, in Ausficht genommen.

Erſt ſpäter, wo die Lage dur< die Siege Suleiman's und Reouf's eine weſentli beſſere geworden war, wurde man niht müde, die no< vor Kurzem getroffenen Vorbereitungen zu einer Veberſiedlung na<h Kräften abzuläugnen, aber es war bekannt, daß der Palaſt-Arcitekt, Zerkis Bey, ſih bereits na< der anmuthigen Hauptſtadt Bithyniens begeben hatte, um in dieſer Richtung Maßnahmen zu treffen. Rhiza Paſcha hatte, obwohl hochbetagt, den großen Schre> von 1829 noh lebhaft in Erinnerung. Die Koſaken des Diebitſh’ſ<hen Corps ſtreiften damals bereits bis Tſchorlu, ja bis Rodoſto, einer Hafenſtadt am Marmara-Meere, während andere Abtheilungen andererſeits das ganz nahe bei Conſtantinopel gelegene Städthen Midair an der Pontusfüſte beſeßt hatten. Zu ſpät erkannte man damals, daß nur die Höhen zwiſchen Sinekli und Tſchataldſchie, welche dur< viele Fahrhunderte in der Vertheidigung der Bospor-Capitale eine Rolle geſpielt hatten, noh einigermaßen geeignet wären, den Angriff abzuwehren. Man warf damals wohl einige Schanzen in aller Eile auf, aber ſowohl ihre Anlage, wie ihre augenſcheinliche Minderzahl würden dem Feinde kaum ein Hinderniß bereitet haben, wenn er überhaupt in der Lage geweſen wäre, auf Stambul vorzurüen.

Auch diesmal, obwohl man ſchon ſeit Monaten unaus8geſeßt von Befeſtigungs8-Arbeiten in der Umgebung Conſtantinopels erzählte, war eigentli in dieſer Richtung nur wenig geſchehen.

Anfangs faßte man dieſe nothwendigen Vertheidigung8maßregeln ſo auf, als ob ſie nur in Angriff genommen werden ſollten, um dem arbeitsloſen Pöbel Arbeit zu verſchaffen, ſpäter

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